Kommentar:Selbst verpasster Denkzettel

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Die Resonanz in der digitalen Welt ließ den Schluss zu, dass die Fürstenfeldbrucker stark daran interessiert sind, wer ihr nächster OB wird. Das war ein Trugschluss.

Von Christian Hufnagel

Die Hoffnungen waren diesmal groß und durchaus berechtigt. Die Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung hatte mehr als 300 Zuhörer angezogen, die Live-Übertragung auf Facebook verfolgten bis zu 2000 Menschen und erzielte am Ende eine Reichweite von mehr als 23 000 Mitglieder dieses Mediums. Allein die Resonanz in der digitalen Welt ließ den Schluss zu, die Fürstenfeldbrucker sind stark daran interessiert, wer in den nächsten Jahren das höchste politische Amt in ihrer Stadt bekleidet. Das Zwischenergebnis ist freilich ernüchternd und spricht eine andere Sprache, nämlich die von der Politikverdrossenheit und vom gesellschaftlichen Desinteresse.

Nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten nutzte am vergangenen Sonntag die Möglichkeit, die politischen Geschicke ihrer Heimat mitzubestimmen. Die Beteiligung an der Bürgermeisterwahl lag bei deprimierenden 44,9 Prozent, das sind noch einmal gut drei Prozent weniger als 2014, und schon damals konnte niemand mit dem Wert zufrieden sein. Dass diesmal die Bürger nicht zugleich für Stadt- und Kreistag gewählt haben, mag zwar als eine Erklärung für die noch schlechtere Beteiligung dienen, macht aber nichts besser. Noch dazu, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Bürgermeisterwahl natürlich die reine Persönlichkeitswahl ist, und es doch die Menschen motivieren müsste, sich für einen entscheiden zu können. Und zur Auswahl standen im ersten Durchgang ja immerhin gleich sechs zum Teil in der Bevölkerung bekannte Kandidaten, die eigentlich in der Summe mehr als nur 12 416 Brucker zur Stimmabgabe hätten animieren müssen.

Dass dies nicht gelang, mag auch an einem Wahlkampf gelegen haben, der zwar in Harmonie zwischen den Bewerbern ablief, aber eben auch mit zu wenigen konträren Standpunkten. Ob nun ein paar Straßenschilder mit den Namen von Persönlichkeiten mit NS-Vergangenheit abgehängt werden sollen und ob eine Zweifach- oder Dreifachturnhalle gebaut werden soll, waren so ziemlich die einzigen Themen, die signifikant unterschiedliche Haltungen offenbarten. Sicherlich zu wenig, um einerseits als Aufreger und damit gewissermaßen Wahlanimateur die Runde zu machen und andererseits als Entscheidungshilfe zu dienen. Zu recht wollen die beiden verbliebenen Kandidaten Erich Raff (CSU) und Martin Runge (BBV/Grüne) nun die Wähler mobilisieren. Wenn sich dabei stärkere Unterschiede zwischen ihnen herauskristallisieren könnten, wäre das dem Ziel nicht abträglich. Schließlich muss man sonst für die Stichwahl am 21. Mai mit einer noch schlechteren Beteiligung rechnen, 2014 sank sie auf 46,21 Prozent. Den Fürstenfeldbruckern wiederum sollte ihre Trägheit vom ersten Abstimmungsdurchgang Denkzettel genug sein, sich ihrer demokratischen Pflicht bewusst zu werden, sich mit den Kandidaten auseinanderzusetzen und sich am übernächsten Sonntag aufzuraffen, ein Wahllokal aufzusuchen, um wählerisch zu sein.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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