Kommentar:Reflexion vor Ort ist unerlässlich

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Die Geschehnisse um die Befreiung der israelischen Geiseln im Jahr 1972 haben einen Gedenkort verdient. Eine Erinnerung nur im Internet reicht nicht

Von Peter Bierl

Deutschland ist Exportweltmeister, noch amtierender Fußballweltmeister, das politische Personal des Landes präsentiert sich gern als Weltmeister des Klimaschutzes und Weltmeister der Erinnerungskultur. Die Wirklichkeit vor Ort ist prosaischer. Brucker Stadträte erinnern an Nazis, die sie mit Straßennamen ehren. Erster Weltkrieg, Novemberrevolution und Republik oder gar der darauf folgende "Vogelschiss" sind einschlägigen Institutionen keine Mühe wert - abgesehen vom Jexhof-Museum, dessen Team sich regelmäßig historischen Themen stellt, die strittiger sind als Relikte aus der Bronzezeit oder ein 150-jähriges Feuerwehrjubiläum.

Der Erinnerungsort Olympia-Attentat und die Dokumentation der Geschichte des Fliegerhorstes wären Gelegenheiten, sich hervorzutun. Doch beide Projekte dümpeln dahin. Die Kommunalpolitiker können nichts dafür, dass die Bundeswehr den Standort später räumen wird als ursprünglich angekündigt. Allerdings könnte die Zeit genutzt werden, um Konzepte zu entwickeln, Streitfragen zu klären und Geld aufzutreiben.

Was das städtische Projekt betrifft, so verstaubt der Band mit den Beiträgen eines exzellenten Kolloquiums aus dem Jahr 2014 inzwischen im Regal. Ein Museum erscheint vielen Stadträten als zu teuer, aber Alternativen entwickelt auch keiner. Außerdem besteht eine Kluft zwischen dem Anspruch einer kritisch-wissenschaftlichen Aufarbeitung und dem Wunsch nach sentimentalem Rückblick. Beim Symposium zum Erinnerungsort Olympia-Attentat 2015 hatten alle Experten betont, der Tatort solle nicht nur dem Gedenken dienen, sondern auch der Auseinandersetzung mit den Hintergründen. Nun sieht es so aus, als würde die Reflexion ins Internet verschoben.

Eine virtuelle Plattform ist sinnvoll, reicht aber nicht aus angesichts der historischen Bedeutung des Fliegerhorstes für die gesamte Entwicklung des Landkreises, als Luftkriegsschule der Nationalsozialisten, Standort von US-Air Force und Bundeswehr sowie Schauplatz der gescheiterten Geiselbefreiung 1972. Stadt und Landkreis müssen eine gemeinsame historische Dokumentation am Originalschauplatz und einen Gedenkort für die Verbrechen schaffen - und dafür Bund, Land, Bundeswehr und das Olympische Komitee zur Kasse bitten.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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