Kommentar:Politiker ohne Interesse

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Der Jugendhilfeausschuss verabschiedet den 33 Millionen Euro schweren Etat ohne Diskussionen - und sogar ohne Fragen

Von Heike A. Batzer

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt Haushalt", sagt Martina Drechsler, die stellvertretende Landrätin: "Gibt es Fragen?" Die Kreisverwaltung korrigiert eine Zahl in den öffentlich ausgereichten Unterlagen. Daraufhin Drechsler: "Gibt es weitere Fragen? - Ich sehe keine. - Dann kommen wir zur Abstimmung." Sie liest den Beschlussvorschlag, wonach der Jugendhilfeausschuss dem Kreistag den entsprechenden Teilhaushalt zur Zustimmung empfehlen soll, vor. Alle Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sind dafür. Thema erledigt.

Das war sie also, die Beratung über einen nicht ganz unwesentlichen Teilaspekt der Kreisfinanzen: die Jugendhilfe, 33 Millionen Euro teuer inklusive der Betreuung von im Landkreis lebenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Und niemand unter den Kreisräten will etwas zu den Details wissen, niemand hat eine Frage. Etwa, wie sich die Kosten für die jungen Flüchtlinge zusammensetzen und wie die Refinanzierung organisiert ist? Oder warum die klassische Jugendhilfe erstmals in diesem Jahr nicht nennenswert angestiegen ist wie in all den Jahren zuvor?

Die Kreisräte offenbarten ein seltsames Verständnis von Kommunalpolitik. Ihre Aufgabe ist es, Politik zu machen, der Kreisverwaltung die Richtung vorzugeben und auch Verwaltungshandeln zu überprüfen. Es mag schon sein, dass es in der Jugendhilfe wenig Entscheidungsspielraum gibt, weil der Landkreis die Maßnahmen ohnehin bezahlen muss. Das allein aber kann nicht erklären, warum sich Kreisräte aller Couleur einem Informationsaustausch verweigern und einen zweistelligen Millionenbetrag einfach durchwinken. Selbst die Verwaltungsfachleute waren überrascht, dass man nichts von ihnen wissen wollte.

Natürlich hätte Martina Drechsler, die seit anderthalb Jahren Stellvertreterin des Landrats ist und noch immer wie eine Novizin wirkt, als Sitzungsleiterin einer Diskussion auf die Sprünge helfen können, indem sie zumindest mit einigen erklärenden Sätzen ins Thema einführt. Das hat sie unterlassen. Haushaltsberatungen sollte Landrat Karmasin deshalb wieder zur Chefsache machen.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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