Kommentar:Nachbessern statt abschaffen

Lesezeit: 1 min

Dass Anwohner ihren finanziellen Beitrag zum Ausbau ihrer Straße leisten sollen, ist keine Ungerechtigkeit. Die Belastung muss nur erträglich gestaltet werden

Von Stefan Salger

Man kennt das aus Talkshows: Um die eigene Kritik an Gesetzen zu untermauern, wird mit Extremfällen hantiert. Da muss dann die arbeitende alleinerziehende Mutter mit vier Kindern herhalten, deren Einkommen mit den phänomenalen Bezügen einer Hartz-IV-Großfamilie verglichen wird. Oder die Notwendigkeit für die Kilometerpauschale wird mit dem Arbeiter begründet, der irgendwo im Nirgendwo wohnt und in Ermangelung einer Haltestelle aufs Auto angewiesen ist. Mit dem Regelfall hat das wenig zu tun.

So ist das auch bei den Beiträgen zum Straßenausbau. Schon wahr, es gibt Härtefälle: Was ist mit der netten Oma, die kein Auto besitzt, dafür aber eine ziemlich wertlose Immobilie (auch das soll es in Zeiten explodierender Grundstückspreise ja geben)? Soll sie mit einem fünfstelligen Betrag zur Kasse gebeten werden für den Ausbau des Wegs? Muss sie ihr Häuschen verkaufen? Natürlich darf es nicht so weit kommen. Es gibt bereits Härtefallregelungen - und es darf durchaus noch weiter nachjustiert werden. Die Beiträge gleich ganz abschaffen, muss man deshalb aber nicht. Denn Grundeigentümer sind in der Regel leistungsfähig und konnten sich in den zurückliegenden Jahren über hohe Wertzuwächse freuen. Ihnen ist zuzumuten, einen Anteil zu übernehmen für den Ausbau einer Straße oder für den neuen Bürgersteig, von dem sie in der Regel auch in hohem Maße profitieren. Nicht umsonst steht im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet.

Was nun, wenn die "Straßenausbaubeitragssatzung" abgeschafft wird? Wenig wahrscheinlich, dass der Freistaat als Kompensation einen Geldregen auf Städte und Gemeinden niederprasseln lässt. Wahrscheinlicher schon, dass ihnen für Sport, Kultur oder sozialen Wohnungsbau künftig das Geld fehlt. Eine komplette Umstellung auf Steuerfinanzierung wäre ohnehin ungerecht und unsozial. Eine halbwegs akzeptable Alternative wäre es, die Finanzlücke durch höhere Grundsteuern zu schließen. Dann bliebe zumindest gewahrt, dass Eigentümer kleiner Grundstücke weniger zahlen als die mit großen Grundstücken.

Wer mit Omas Häuschen argumentiert, dem darf man auch mal einen anderen Extremfall vorhalten: Wir nehmen also die alleinerziehende Mutter in ihrer Mietwohnung von vorhin. Die würde für den Ausbau der am Villengrundstück vorbeiführenden Straße zur Kasse gebeten, während sich der dort logierende Privatier mit Hilfe seines Steuerberaters arm genug rechnet, um sich der Verantwortung zu entziehen. Schade, dass Politiker landauf, landab vor dem Protest einknicken, statt ihre Kraft für die Überarbeitung des Regelwerks einzusetzen - und dafür, dies dem Wähler dann auch zu erklären.

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: