Kommentar:Jeden Tag eine volle Tonne

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Konsumenten sollten über Alternativen zum Einwegbecher nachdenken

Von Erich C. Setzwein

Guksi nennen die Samen in Nordskandinavien ihren Becher, den sie am Gürtel tragen wie ihr Messer. Die besten Becher werden mit der Hand aus der schönen Maserknolle einer Birke geschnitzt, die Kinder bekommen eine kleine Guksi, die sie an einem Lederband um dem Hals hängen können. Und sollte die Tasse kaputt gehen, fällt sie der Umwelt nicht zur Last. Ist ja nur Holz. Jeder Same braucht normalerweise nur eine - ein Leben lang.

In Eichenau benötigen zwischen 240 und 650 Menschen am Tag einen Becher. Der wird in den vier Bäckereien mit Kaffee oder Cappuccino gefüllt. Aber eben nur einmal. Am nächsten Tag wird wieder einer gefüllt. Menschen, die sich um die Umwelt Sorgen machen, würden in solchen Zahlen überquellende Mülleimer und prall gefüllte Abfallsäcke sehen. Oder, wenn sie sich die Mühe machen und 240 Einweg-Pappbecher aufeinanderstapeln, einen Turm von etwa 2,20 Meter Höhe. Werden 650 gestapelt, wie sie an Spitzentagen in Eichenau wohl vorkommen, sind es schon fast sechs Meter. Packt man diese Becher in eine Mülltonne, müsste sie mehr als 120 Liter fassen, bei 240 Bechern würden etwa 50 Liter reichen. Jeden Tag. Dass sich da auch Kommunalpolitiker ihre Gedanken machen, ist völlig richtig. Denn der Müll entsteht im Ort oder wird augenscheinlich beim "To-Go-Becher" auch in die Gemeinde gebracht. Ins Absurde könnte jemand die Diskussion treiben, wenn er durchrechnen würde, wie viele dieser Becher mit heißem Kaffee Eichenau verlassen und wie viele leere Becher, die in Fürstenfeldbruck, Puchheim oder München gefüllt wurden, am Bahnhof oder an der Straße entsorgt werden.

Einwegverpackungen sind praktisch und hygienisch, verhindern aber, dass Konsumenten über Alternativen nachdenken und handeln. Zugegeben, es ist ein wenig mühsam, ständig ein Trinkgefäß mit sich zu führen. Wenn es aber chic oder hip wäre, wenn es ein gutes Gewissen machen würde und noch dazu preiswerter wäre als die Einwegvariante, würden vielleicht mehr Menschen mit eigenen, total hippen und chicen Bechern rumlaufen. Kann auch eine samische Guksi um den Hals sein.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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