Kommentar:Freiwilliger Zwang

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Der Mehrwegbecher für Kaffee ist aus Umweltgründen eine gute Sache. Die mit seiner Propagierung verbundene Moralisierung ist es nicht

Von Ekaterina Kel

Es ist furchtbar, wenn etwas moralisch richtig ist. Egal, aus welcher Perspektive, es gibt einfach kein Argument, das den Willen zur Nachhaltigkeit schlagen könnte. Die Umwelt zu schützen, ist schlichtweg klasse. Der Mehrwegbecher "FFB-to-go" ist so ein Fall von moralischer Richtigkeit. Kein Wunder, dass er nur zögerlich angenommen wird. Denn was so gut und richtig ist, kann man nur hassen.

Wie lässt sich diese paradoxe innere Regung erklären? Es ist diese unschuldige, streberhafte Moralisierung des Kaufverhaltens, die bei manchen einen starken Widerwillen weckt. Entweder entscheidet man sich aus moralischer Überzeugung dafür oder man traut sich mit einem üblichen, umweltverschmutzenden To-go-Becher nicht mehr auf die Straße. Und dann gibt es noch die notorisch Ignoranten, die aus Trotz oder aus Verdrängung bei Pappbecher und Plastikdeckel bleiben. Da setzt die Moral ein: Von allen Seiten ernten die, die weiterhin Einwegbecher kaufen, böse Blicke. Wie können die nur? Der Umweltschutz ist doch jetzt so einfach geworden. Der To-go-Becher wird so allerdings zum moralischen Imperativ. Man kann direkt etwas Gutes für die Umwelt und gleichzeitig das eigene Gewissen tun. Oder man lädt Schuld auf sich, wird zum Umweltsünder, zum modernen Bösewicht. Und mag der Becher noch so scheußlich aussehen und das Heißgetränk am Morgen irgendwie nach Gummi schmecken (obwohl der Deckel aus recycelbarem Kunststoff hergestellt sein soll), sagt so mancher von den Sündern: "na gut". Weil er muss, geht er zum Bäcker, um zwei Euro Pfand für einen Becher auszugeben, auf den er bald schon seinen Hass auf alle Streber dieser Welt projizieren wird.

Als Kaffee trinkende Marktwesen unterliegen die Brucker nun einem Zwang, der über die Pragmatik des persönlichen Vorteils und über die angebliche Freiheit des Geldes hinausgeht. Man muss, weil man soll. Sonst schadet man der Umwelt. Das mag schon sein. Ein biologisch abbaubares Exemplar aber rettet sie nicht, sondern nur das Gewissen.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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