Kommentar:Es wird jeden treffen

Lesezeit: 1 min

Inklusion und Barrierefreiheit sind auch für normale Menschen ein Gewinn, denn auch sie stoßen in manchen Lebensphasen an Grenzen

Von Heike A. Batzer

Dass Menschen mit Behinderung integriert werden müssen in die Gesellschaft, wer würde eine solche Aussage nicht unterschreiben? Und dennoch haben die meisten keinen Kontakt zu jenen Mitmenschen, die wegen einer körperlichen oder geistigen Einschränkung eben nicht wie selbstverständlich in der Gesellschaft präsent sind, sondern in Teilbereichen unter ihresgleichen bleiben (müssen). Es gibt immer noch genügend Barrieren und Schwellen, die für Menschen mit Behinderungen nicht zu überwinden sind. Die sichtbaren räumlichen Barrieren sowieso, aber auch Hindernisse, die man nicht gleich als solche erkennt: eine komplizierte Sprache, eine unübersichtliche Führung durch Internetseiten, das Fehlen von Angeboten in Blindenschrift oder Gebärdensprache und vieles mehr. Wo solche Angebote fehlen, findet Ausgrenzung statt. Dass der Landkreis nun die Initiative ergreift und den Zusammenhalt der Gesellschaft über einen Aktionsplan forcieren will, ist löblich.

Das Projekt ist aufwendig. Will man erst einmal erfassen, wo es bereits Inklusion gibt und wo noch Nachholbedarf besteht, muss man buchstäblich jeden Stein im Landkreis umdrehen. Denn wer es mit Inklusion ernst meint, braucht allerorten barrierefreie Räumlichkeiten und eine Infrastruktur ohne Hindernisse, muss für jeden passende Arbeitsplätze anbieten, muss in Schulen die Möglichkeit für gemeinsamen Unterricht schaffen. All das wird viel Geld kosten.

Doch zunächst muss die Einsicht wachsen, dass Inklusion und Barrierefreiheit auch einen Gewinn für "normale" Menschen darstellt, denn auch die stoßen in manchen Lebensphasen durchaus an Grenzen: als Eltern mit Kinderwagen, als alte Menschen mit Gehhilfe oder Rollator. Wenn die alternde Gesellschaft erst einmal erkannt hat, dass alle ihre Mitglieder von Inklusion profitieren, dürften die Chancen gut stehen, dass der Aktionsplan, den der Landkreis jetzt erstellen will, nicht nur eine Absichtserklärung bleiben wird. Im besten Fall wird Behinderung dann nicht mehr als individuelles Problem wahrgenommen, sondern als eines, das die ganze Gesellschaft angeht.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: