Klassik:Interpretation aus einem Guss

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Christian Zacharias mit seinen Stuttgarter Philharmonikern. (Foto: Günther Reger)

Christian Zacharias mit den Philharmonikern im Orlandosaal

Von KLAUS MOHR, Germering

Es ist eine Art "Spezialangebot" im Landkreis, dass im Orlandosaal seit der Eröffnung 1993 immer wieder große Profi-Orchester gastieren. Das Angebot ist zwar in den vergangenen Jahren im Vergleich zum Anfang deutlich geringer geworden, was an den Kosten liegt, doch ist die Stadthalle Germering damit noch immer Vorreiter einer Kultur, die es sonst fast nur in der Landeshauptstadt gibt. Am Freitag waren dort zur Eröffnung der neuen Saison der "Klassik-Reihe" die Stuttgarter Philharmoniker zu hören. Christian Zacharias war nicht nur der Solist im Klavierkonzert c-Moll KV 491 von Wolfgang Amadeus Mozart, sondern auch der Dirigent dieses und des Werks nach der Pause, der Symphonie Nr. 6 in A-Dur von Anton Bruckner.

Mozarts Klavierkonzert in c-Moll stammt aus einer überaus produktiven Zeit des Komponisten im Umfeld der "Hochzeit des Figaro". Es wurde 1786 mit Mozart als Solisten in Wien uraufgeführt. Eine vergleichbare Situation stellte Christian Zacharias her, als er vom Klavier aus auch das Orchester leitete. Diese Personalunion schweißte Solist und Orchester in der Interpretation stärker zusammen. Zacharias ist ein intellektueller Musiker, bei dem jede Phrase ganz selbstverständlich eine Bedeutung erhält, so dass der Zuhörer nicht nur die Töne hören, sondern auch den Sinnzusammenhang problemlos nachvollziehen konnte. Entweder, ein Motiv wurde zunächst vom Orchester vorgestellt und vom Solisten plausibel ausgedeutet. Im anderen Fall übernahmen Orchestermusiker eine Phrase des Solisten und folgten dabei der von Zacharias angebotenen Sichtweise. Entscheidend war, dass beide Vorgehensweisen die Idee einer blockartigen Gegenüberstellung von Solist und Orchester zu einem guten Teil obsolet werden ließen. Es entstand eine Interpretation aus einem Guss, die immer wieder klangliche Glücksmomente heraufbeschwor.

Dennoch war es keine Aufführung, die sich eine historisierende Sichtweise auf die Fahnen geschrieben hatte. Aus Noten nicht nur Töne werden zu lassen, sondern ihnen eine sprechende Bedeutung zu entlocken, hängt wesentlich nicht an der Verwendung eines bestimmten Flügels oder eines Bogens bei den Streichern. In allen drei Sätzen war es vordringliches Ziel, den Fluss der Musik durchgehend zu erhalten: So war der Klang dicht und plastisch, und doch immer von der Melodielinie her artikuliert. Zurückgenommene Passagen gerieten mit großer Intimität und hatten einen kammermusikalischen Zugriff. Dazu passte der zarte, oft perlende Klavierklang, der sich wie ein Motor auf das Orchester übertrug.

Anton Bruckners 6. Symphonie hat der Komponist nie als Ganzes im Konzert gehört. Christian Zacharias dirigierte ohne Taktstock, doch war seine Klanggestenmalerei mit Armen, Händen und Fingern so inspirierend und zugleich strukturierend, dass wunderbare Musik entstand. Das riesige Orchester, das für die Akustik des Orlandosaals fast zu groß war, fand im fulminanten Tutti des Maestoso-Satzes beeindruckend einen individuellen Klang. Das galt auch für die Arbeit mit kleinen Motivfiguren, die in unterschiedlicher Orchestrierung und Beleuchtung mehrmals wiederholt waren und in ihrer filigranen Anlage dennoch nicht untergingen. Romantisches Pathos im richtigen Maß hatte das Adagio, verschiedene effektvolle Klangebenen waren im Scherzo miteinander verwoben. Am Ende gab es großen Applaus, der dem Orchester ebenso wie dem Dirigenten und Solisten Christian Zacharias gehörte.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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