Kaufkraft-Statistik:Wohlhabender Landkreis mit Makeln

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Wenig Probleme haben laut Wirtschaftsförderin Barbara Magg Läden, die Menschen mit "kurzfristigem Bedarf", etwa Lebensmitteln zu versorgen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nach dem verfügbaren Nettoeinkommen von 27 868 Euro pro Kopf rangiert Fürstenfeldbruck bundesweit auf dem siebten Platz. Doch das bedeutet nicht automatisch, dass die lokale Wirtschaft profitiert

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Für Einzelhandel, Gewerbe, Dienstleiter und Handwerker im Landkreis ist es eine gute Nachricht. Denn statistisch gesehen wird jeder, der im Landkreis Fürstenfeldbruck lebt, in diesem Jahr über eine Kaufkraft von 27 868 Euro verfügen. Das ist laut Kaufkraftstudie der Gesellschaft für Konsumforschung ein Viertel mehr als der Landesdurchschnitt. In der Liste der Städte und Landkreise mit der deutschlandweit höchsten Kaufkraft, rangiert der Landkreis Fürstenfeldbruck an siebter Stelle. Als Kaufkraft gilt das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Transferleistungen wie Renten sowie Arbeitslosen- und Kindergeld. Darüber, wie die Kaufkraft verteilt ist, sagt die Studie allerdings nichts aus.

Vor Fürstenfeldbruck rangieren in der Region noch die Landkreise Starnberg, München und Ebersberg sowie die Landeshauptstadt München. Laut Barbara Magg, der Wirtschaftsförderin des Landratsamts, ist eine derart hohe Kaufkraft generell als "positives Signal" für den Landkreis Fürstenfeldbruck zu sehen. Für die hier ansässigen Wirtschaftsbetriebe lautet die entscheidende Frage jedoch, wo die Kaufkraft hin fließt. Das Geld wird nämlich meist auch dort ausgegeben, wo ein großer Teil der Landkreisbewohner arbeitet - und das ist für viele nach wie vor das benachbarte München. Das heißt, von der hohen Kaufkraft profitiert die örtliche Wirtschaft nur zum Teil. Da wohlhabende Brucker einen Großteil ihres Geldes nicht an ihrem Wohnort ausgeben, diskutieren Gewerbeverbände schon seit Jahrzehnten darüber, wie man den Betrag, der in das örtliche Gewerbe investiert wird, vergrößern kann.

Nach Einschätzung von Magg ist der Einzelhandel des Landkreises in einem Segment besonders gut aufgestellt. Das betrifft den kurzfristigen Bedarf, wie den Einkauf von Lebensmitteln, den die Landkreisbewohner in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld erledigen. Hier könne man nicht meckern. Nur sei es schwer, diesen Bedarf in absoluten Summen anzugeben. Schwieriger sieht Magg die Situation für den mittel- und langfristigen Bedarf. Hier würde beispielsweise viel Kaufkraft aus Germering nach Pasing und in den Münchner Westen abfließen.

Eine Befragung von 239 Firmen aus dem Landkreis vom Frühsommer des vergangenen Jahres belegt, wie schwer es ansässigen Firmen inzwischen allerdings fällt, ihre Aufträge zu erfüllen. Bei vollen Auftragsbüchern befürchten laut Barbara Magg, die die Befragung organisiert und ausgewertet hat, inzwischen 30 Prozent der Firmen, dass sie die angenommenen Aufträge nur noch abarbeiten können, wenn sie zusätzliches Fachpersonal finden. Das jedoch ist fast nicht mehr zu bekommen, weil die Fachkräfte hier entweder keine Wohnung finden oder sich keine Wohnung leisten können. Das betrifft auch ungelernte Arbeitskräfte. Für die Landkreisbewohner und Auftraggeber bedeutet das wiederum, dass sie, selbst wenn sie wollten, ihr Geld nicht hier ausgeben können, weil den Firmen die Kapazitäten fehlen. Vom Fachkräftemangel betroffen sind bereits 56 Prozent der vom Landratsamt befragten Firmen. An zweiter Stelle der Probleme der Landkreisunternehmer rangiert inzwischen der fehlende bezahlbare Wohnraum.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsverbands Germering, Jürgen Biffar, beurteilt die Situation des Einzelhandels in seinem Wohnort ähnlich wie Barbara Magg. Große mittelständische Händler, für die in Germering das Gep steht, seien sehr gut aufgestellt, sie könnten gezielt und professionell agieren und damit viel Kaufkraft halten. In einer anderen Situation befinden sich laut Biffar kleinere, inhabergeführte Geschäfte mit nur einigen Mitarbeitern. Diese leisteten zwar einen Beitrag zum Stadtbild und verbesserten die Aufenthaltsqualität in einer Kommune, müssten aber gefördert werden. Dies geschieht in Germering bereits seit einigen Jahren mit dem "Citymarketing", das mit Zuschüssen aus der Städtebauförderung finanziert wird. Das Citymarketing verfolgt zwei Ziele. Es geht darum, Kaufkraft zu halten sowie die Wohn- und Lebensqualität durch ein vielseitiges Angebot zu verbessern. Als Beispiele der vom Citymarketing angestoßenen Aktionen nennt Biffar die neue Weihnachtsbeleuchtung oder das Baustellen-Marketing während der Umbauzeit des Kleinen Stachus. Wichtig seien der gemeinsame Auftritt und ein gemeinsames Erscheinungsbild.

Laut der Wirtschaftsförderin Magg stellt sich der Einzelhandel auf die hohe Kaufkraft ein. "Ich sehe sehr deutlich, dass sich das Angebot ändert", sagt sei. Um daran zu erinnern, dass früher auf den Brucker Einzelhandel oft geschimpft wurde, bisweilen auch zu Unrecht. Inzwischen sei zumindest ein Gegentrend zu Billigläden zu beobachten. So setzte ein Brucker Modehaus gezielt auf Nachhaltigkeit und biete beispielsweise Blusen an, die am Chiemsee gefertigt werden. Solche Entwicklungen sind für Barbara Magg ein Beleg dafür, dass der Landkreis nicht mehr nur über eine hohe Kaufkraft verfügt, sondern dass hier auch mehr Geld ausgegeben wird.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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