Inklusionsprojekt:Erfahrungsaustausch und Tanzvergnügen

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Aufgespielt mit Akkordeon: Tanz beim "Café im Takt" soll für Pflegebedürftige und deren Angehörige eine Abwechslung darstellen. Den Auftakt machte die Caritas mit dem Projekt in Fürstenfeldbruck (Foto: Günther Reger)

Mit ihrem neuen Angebot "Café im Takt" will die Fürstenfeldbrucker Caritas pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörige ein Stück weit aus der Isolation verhelfen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Während seine Frau vom ersten Kennenlernen spricht, sitzt der ältere Herr im Caritas-Café "Brucker Fenster" neben ihr und lächelt. Damals vor mehr als einem halben Jahrhundert haben sie sich beim Tanzen kennengelernt. "Seitdem ist kein Wochenende vergangen ohne Tanz", sagt er. Wenn es auch nur ein zwei schnelle Polka waren. Die beiden nutzen jede Gelegenheit, ihrer Leidenschaft nachzugehen - gerade jetzt, wo die Demenz bei ihm diagnostiziert wurde. "Ich habe gehört, dass Musik gut ist für Demenzkranke", sagt seine Frau. "Wir tun alles, was helfen könnte." Deshalb sind die beiden, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, an diesem Freitagnachmittag auch zu der Eröffnung der Tanzreihe "Café im Takt" der Fürstenfeldbrucker Caritas gekommen. Das neue Angebot der Fachstelle für pflegende Angehörige und des Gerontopsychiatrischen Dienstes ist für sie ein Glücksfall.

Denn das Café im Takt lädt nicht nur zu Kaffee, Kuchen und Tanz bei Live-Musik ein. Es ist vor allem auch ein niederschwelliges und offenes Angebot, das sich an Senioren mit und ohne Pflegebedarf und deren Angehörige wendet. "Es ist ein Inklusionsprojekt", wie Elisabeth Bauer von der Fachstelle für Pflegende Angehörige sagt. Ein Angebot speziell auch für demenzkranke Menschen, von denen man weiß, dass sie häufig positiv auf Musik reagieren. "Insbesondere auf Musik, die sie von früher kennen", erklärt Christine Hack von der Gerontopsychiatrischen Beratung. Deswegen wollen die Organisatoren auch für die kommenden Termine auf Klänge aus vergangenen Jahrzehnten setzen. Das Café im Takt soll aber auch ein geschützter Ort für pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sein. Es soll einen Rahmen bieten, in dem sich sowohl die pflegebedürftigen Menschen, als auch deren Angehörige entspannt erleben dürfen. "Der Alltag ist für viele Betroffenen sehr anstrengend, viele sind sehr angespannt", weiß Bauer. "Wir wollen die Leute auch vom Sofa holen", erklärt Hack. Denn Bewegung könne sich positiv auf Demenzkranke auswirken und dabei helfen, dass die Krankheit nicht so schnell voranschreitet.

An diesem Nachmittag gibt es im Brucker Fenster traditionelle Akkordeonklänge zu hören. Während einige der zwölf Besucher Kaffee und Kuchen genießen, füllt sich die Tanzfläche nach und nach. Eine der Damen, nicht mehr gut zu Fuß, wippt sitzend im Rhythmus des Taktes. Eine andere blickt sich nach einer Tanzbegleitung um. Eine andere meint: "Es ist Herrenmangel." Für die Tanzwilligen ist das allerdings kein Problem, Christine Hack springt gerne als Tanzpartnerin ein.

Für die kommenden Termine, die in der Seniorenbegegnungsstätte Eichenau stattfinden sollen, haben die Organisatoren auch eine Tanzlehrerein engagiert, die eine spezielle Schulung absolviert hat. Sie kennt die Bedürfnisse älterer und pflegebedürftiger Menschen und soll den Tänzern fachkundige Unterstützung anbieten und auch ehrenamtliche Mitarbeiter werden die Senioren betreuen. Für diejenigen, die nicht mehr mobil sind und keine Möglichkeit haben, von ihrem Wohnort nach Eichenau und zurück zu kommen, gibt es außerdem einen Fahrdienst. Bauer und Hack hoffen, dass das Angebot in Zukunft gut angenommen wird. Für den Eröffnungstag hatte man sich mehr Besucher erwartet, "aber wir geben nicht auf", sagt Hack.

Erste positive Rückmeldungen bekommen die Organisatoren immerhin von denen, die zur Eröffnung gekommen sind. "Ich finde das ist eine ganz tolle Idee", sagt eine der Besucherinnen, die im Vorbeigehen auf die Veranstaltung aufmerksam und neugierig geworden ist. Auch das ältere Ehepaar, das sich einst beim Tanzen kennenlernte, ist beeindruckt. "So gut haben wir es uns nicht vorgestellt", sagen sie. Die Frau würde sich noch mehr solcher Angebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen wünschen, etwa Ausflüge oder Theaterbesuche würden ihr gefallen. Eine weitere Besucherin, ebenfalls seit ihrer Kindheit begeisterte Tänzerin, ist zum Café im Takt gekommen, um nach dem Tod ihres demenzkranken Mannes wieder unter Menschen zu kommen. Und das scheint zu funktionieren. Bei Kaffee und Kuchen kommen die Besucher schnell ins Gespräch. Und so bleibt die Atmosphäre bei Café im Takt genauso wie es sich die Veranstalter gewünscht haben: gesellig und entspannt.

Café im Takt. Seniorenbegegnungsstätte Eichenau, Kolpingweg 2; 9. Februar und 9. März. Anmeldung (auch für den Fahrdienst) unter 08141/80229.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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