Germering:590 Wohnungen in der Warteschleife

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Das Münchner Tochterunternehmen eines russischen Konzerns will eine der letzten großen Freiflächen bebauen. Die SPD begrüßt das Projekt, CSU und Grüne sind deutlich zurückhaltender

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Es geht um sehr viel Geld, genauer um einen achtstelligen Betrag. Es geht um die Bebauung der letzten großen, zusammenhängenden Freifläche in Germering. Und es geht um das Wachstum der Stadt, um 590 Wohnungen für bis zu 2000 Menschen, die auf dem Hausäcker-Grundstück zwischen Kirchenstraße und Heimgartenstraße entstehen könnten. Ein Investor hat Interesse an dem sechs Hektar großen Grundstück angemeldet, das bislang als innerstädtische Grünfläche ausgewiesen ist und auf bis zu 60 Millionen Euro geschätzt wird: Die LSR Group Europe, das Tochterunternehmen eines russischen Baukonzerns mit Sitz in München.

Auf der Tagesordnung des Bauausschusses am Dienstag suchte man das Projekt freilich vergeblich. Und das, obwohl die Sache ziemlich genau vor einem Jahr schon weit gediehen schien. Max Dudler, ein renommierter Schweizer Architekt, hatte ein umfangreiches Exposé erarbeitet, um dem Bauausschuss des Germeringer Stadtrates die mögliche Bebauung der Hausäcker in verschiedenen Varianten zu erläutern. Dudler hatte acht Häuser mit einer Wohnfläche von etwa 40 000 Quadratmetern konzipiert. Der Investor kam dem Stadtrat ohne Verhandlungen weitgehend entgegen und zeigte sich bereit, 30 Prozent der Wohnungen im geförderten Wohnungsbau zu errichten; das wären fast 180 Sozialwohnungen. Doch zur Behandlung von Dudlers Entwürfen kam es dann nicht, weil eine dubiose Spendenankündigung von 100 000 Euro eines der sieben Eigentümer für große Irritation unter den Stadträten sorgte. "Die Sache mit der Spende ist vom Tisch", bestätigte Stadtbaumeister Jürgen Thum kürzlich der SZ. Jetzt hat sich der Investor in einem dreiseitigen Brief direkt an alle Stadträte und die zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung gewandt, um herauszufinden, warum das Projekt nicht vorankommt.

Mit vier der sieben Grundstückseigentümer - alles Landwirte - hat sich der Investor bereits geeinigt. Sie haben ihre landwirtschaftlich genutzten Grundstücke an die LSR Group verkauft. Der Kauf wird aber erst dann realisiert, wenn der Aufstellungsbeschluss des Stadtrates erfolgt ist. Zwei weitere Grundstückseigentümer sind laut Mitteilung der Stadt damit einverstanden, dass auch ihre Grundstücke in die Planung miteinbezogen werden. Der siebte Eigentümer hat sich noch nicht geäußert, steht dem Projekt aber wohl ablehnend gegenüber. Dmitri Gontcharov, Geschäftsführer der LSR Europe, wirbt in seinem Schreiben an die Stadträte, das der SZ vorliegt, darum, die Behandlung des Hausäcker-Bauprojektes wieder aufzunehmen. Er stellt ihnen auch noch einmal die LSR Group Europe, das 2003 als Tochterunternehmen gegründet wurde, vor. Es ist ein Tochterunternehmen der LSR Group, die in Russland wirkt und laut Gontcharov einen Immobilienbestand im Wert von zwei Milliarden Euro hält. Das Mutterunternehmen beschäftige 15 000 Mitarbeiter und mache einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro. LSR Europe hat mehrere Bauprojekte in München realisiert und baue gerade ein Hotel in Leipzig mit 530 Zimmern.

Warum kommt die Angelegenheit nun nicht auf die Tagesordnung des Bauausschusses? Die letzte Ausschusssitzung vor der Weihnachtspause findet am 5. Dezember statt. Die Tagesordnung legt Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) gemeinsam mit Bauamtschef Thum fest. "Das machen wir in der Regel eine Woche vorher", so Thum. Ob die Hausäcker ein Thema sein werden, wisse er noch nicht. Er erwartet sich in dieser Sache aber auch noch Signale der Stadtratsfraktionen. Ein Anstoß dazu, die Bebauung der Hausäcker erneut zu behandeln, habe ihn aber noch nicht erreicht. Haas befindet sich zurzeit im Urlaub. SPD-Fraktionssprecher Robert Baumgartner plädiert für eine Behandlung des Bauprojektes im Bauausschuss. "Die SPD ist mehrheitlich für die Bebauung", sagt Baumgartner und unterstreicht damit die Linie der SPD, mehr preiswerten Mietwohnraum in Germering zu schaffen. Die Fraktion habe auch ein Gespräch mit Dmitri Gonscharov geführt. CSU-Ortsvorsitzender und Stadtrat Oliver Simon hält sich hingegen in dieser Angelegenheit merklich bedeckt. "Es geht um grundsätzliche Überlegungen, wie man mit dieser großen Grünfläche umgehen will", sagt Simon. Da gibt es offenbar noch kein eindeutiges Meinungsbild in der CSU-Fraktion, die über die absolute Mehrheit im Stadtrat verfügt. Inhaltlich ist Simon damit ganz in der Nähe der Grünen, die gegen die Bebauung sind, weil die letzte innerstädtische Grünfläche verloren gehen würde. Für Simon spielt es bei der Entscheidung der CSU keine Rolle, dass der Investor ein russischer Baukonzern ist. "Wichtig ist, dass ein Partner verlässlich ist", betont der CSU-Politiker.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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