Germering:Warten auf den Cowboy

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Gitte verweigert sich in Germering der Erwartung, alle ihre Hits zu singen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Gitte Haenning ließ etwas auf sich warten. Es erhöhte die Spannung beim Publikum, dass zuerst die vierköpfige Band auf die Bühne der Germeringer Stadthalle kam und losspielte. Es dauerte gut eine Minute, ehe die Sängerin nach ihren Musikern erschien. Mit ihrem Lied "Lampenfieber", einem Hit aus den Jahre 1983, zog sie die gut 700 Zuhörer sofort auf ihre Seite. Schon nach dem ersten Lied wurde der ehemalige Schlagerstar mit Ovationen bedacht. Allseits war zu spüren: Das Germeringer Publikum gab Gitte Haenning einen Vertrauensvorschuss und wollte den Abend mit ihr genießen. Dann kam es doch hier und da zu Enttäuschungen.

Zunächst war Haennings ungewöhnliches Outfit das Gesprächsthema in der Pause. Die bald 69-jährige Dänin, die schon mit acht Jahren auf der Bühne sang, erschien in einem weißen Seemannsumhang oder Matrosenkutte. Dazu trug sie ein breites weißes Stirnband über ihre silber-blonden Haare. "Die Kleidung ist furchtbar", meinte eine ältere Besucherin. "Die passt ja gar nicht zur Musik", ergänzte ihre Begleiterin. Nach der Pause kam Gitte Haenning, die selbst nicht sagen kann, wie viele Titel ihr Repertoire heute umfasst, dann in einem schwarzen Umhang. Sie ließ die Kritik an ihrer Kleidung später an sich abperlen. "Entweder sie mögen es oder sie mögen es nicht", meinte sie hinterher auf Nachfrage, als drei weibliche Fans auf sie warteten, um ein Handyfoto mit ihr zu machen. Eine andere Besucherin hätte auch noch gerne "Lieder von früher" gehört. Die große Mehrheit der Besucher war 60 Jahre und älter gewesen. Sie warteten offenbar auf die bekannten Songs der Dänin. "Ich will mich selbst nicht langweilen", meinte die Sängerin zu dieser Erwartungshaltung ihres Publikums. Sie wolle ihre bekannten Hits nicht immer wieder singen. "Sie kennen meine Lieder besser als ich", hatte Gitte auf der Bühne ihren Fans geschmeichelt. Aber auch vorgewarnt, dass auch viel Neues kommen werde.

Einige wenige Besucher gingen schon zur Pause. Ihnen war es vor allem auch zu laut gewesen. "Wir hätten genauer hingucken sollen, was im Programm steht", sagte ein älterer Herr, der gerade die Mäntel für sich und seine Frau an der Garderobe abholte. Laut war er es wirklich im Orlandosaal der Stadthalle gewesen. Gitte hatte vier Musiker dabei, die ihr Handwerk verstanden und einen kompakten Sound ablieferten. Die Sängerin stieg mit beeindruckend kräftiger Stimme mit ein. Gitte erinnerte in manchen Rockpassagen stimmlich an Rockröhre Tina Turner. Ihre Musiker glänzten mit soliden Soli an allen Instrumenten. Die Sängerin selbst kommunizierte ständig mit ihrem Techniker und fummelte nahezu pausenlos an ihren Ohrlautsprechern herum. Mal gab es zu viel Hall, mal zu wenig. "Es scheint so, dass es vorher keine technische Durchlaufprobe gab", so eine Besucherin kopfschüttelnd.

Doch das waren Nebenschauplätze, die allerdings störend wirkten. Auch über die hier und da konfuse Moderation von Gitte Haenning und dass sie häufig mit dem Rücken zu ihrem Publikum agierte, konnte man hinwegsehen. Die Stimme und ihr Temperament überzeugten. "Salz in der Luft" war ein jüngeres sehr melodisches Lied von 2011, dass jeden berührte. Auch bei "Ich will alles" von 1982 ging das Publikum wieder begeisternd mit.

Nach der Pause stellte die Sängerin ihre Qualitäten als Jazzsängerin unter Beweis. Ihre Version von Bob Dylans "Blowing in the Wind" als Countrysong passte jedoch nicht. Die durchgängig englischsprachigen Texte im zweiten Teil verfingen beim Publikum nicht so recht. "Ich kann mein Programm nicht allein nach dem Publikum ausrichten", so Gitte hinterher. Die Zugabe, eine gelungene Parodie auf ihren Hit "Ich will einen Cowboy als Mann" von 1963, hatte das Publikum jedoch wieder versöhnt.

© SZ vom 02.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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