Germering:Vorfreude, Besinnlichkeit, Humor

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Ernst Schusser (ganz rechts) gibt den Ton an, unterstützt wird er von Gabriele Off-Nesselhauf (daneben) und zahlreichen Gästen. (Foto: Günther Reger)

Das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern auf dem Platz vor der Dorfkirche Sankt Jakob in Germering verbindet und spricht ganz unterschiedliche Emotionen an. Dass die Gäste eng zusammenrücken, passt zum Konzept

Von Stefan Salger, Germering

Auf ein Lied warten einige der Menschen am Sonntagabend vergeblich: auf "Stille Nacht, heilige Nacht". Das ist sicher ein Klassiker. Aber dieses Lied ist dem Heiligabend vorbehalten. Alle Jahre wieder erzählt Ernst Schusser den Leuten das, so auch diesmal, ein paar Meter von der Dorfkirche Sankt Jakob entfernt. Und "Alle Jahre wieder" ist denn auch das erste Lied, das aus den Kehlen der fast 200 Besuchern ertönt, die sich da zwischen dem großen Christbaum, dem Kriegerdenkmal und dem Maibaum zusammengefunden haben.

Das von Schusser geleitete Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern hat unter dem Motto "Germering singt Weihnachtslieder" eingeladen, und zwei prominente Vereinsmitglieder haben das unterstützt und die Werbetrommel geschlagen: die Germeringer Bezirksrätin Gabriele Off-Nesselhauf sowie Kreisheimatpfleger Sepp Kink. Der 78 Jahre alte Fürstenfeldbrucker steht kurze Zeit später im Mittelpunkt - genauer gesagt sein schlohweißes Haar. Das dient Schusser, der in seiner dicken Jacke und der roten Wollmütze da steht wie ein Fels in der Brandung, später - vielleicht auch mangels Schnee - als adäquate Überleitung zum nächsten Lied: "Schneeflöckchen". Kink lacht herzlich, und es wird deutlich, dass Schusser nicht nur mit der Quetschn umgehen kann und eine sonore, raumfüllende und Ohrenwärmer durchdringende Stimme hat, sondern dass das gemeinsame Singen in der Adventszeit neben all der Vorfreude und Besinnlichkeit auch Raum lässt für Humor. Schusser frotzelt denn auch mal, dass das "nur so einigermaßen gut" gegangen sei und die Leute "die Freude" ruhig ein bisschen lauter in die Welt hinausposaunen dürfen. Musikalisch unterstützt wird er von Claudia Harlacher aus Germerswang, die mit ihrer Gitarre auch regelmäßig Offenes Singen etwa auf dem Jexhof oder in ihrem Heimatort ausrichtet. Um 18 Uhr muss die illustre Gästeschar, unter die sich auch an die 20 Kinder gemischt haben, aber zunächst noch gegen eine übermächtige Konkurrenz ansingen: die Glocken von Sankt Jakob schlagen erst die volle Stunde und legen dann mit dem Angelusläuten noch eins drauf.

Das Singen in der Weihnachtszeit veranstaltet das Volksmusikarchiv seit 2003, um die 15 Mal jeden Dezember. Im Landkreis findet es erstmals statt. Am Montag wird Schusser nach Bad Aibling weiterziehen, in Berchtesgaden ist am 23. Dezember gegen 19 Uhr dann Schluss.

Bei drei Grad drängen sich die Gäste automatisch etwas enger zusammen. Auch deshalb, weil der Schein der ausgeteilten Kerzen nicht weit reicht und die von Schusser mitgebrachten Liedtexte nicht für alle reichen. Aber das ist ganz gut so und passt ins Konzept. Auch Sepp Kink weiß, dass es umso schöner ist, je näher man zusammenrück. Kink lädt regelmäßig in die Wirtshäuser des Landkreises zum Offenen Singen ein. Der frühere stellvertretende Schulleiter in Emmering und Rektor der Brucker Philipp-Weiss-Grundschule ist der Volksmusik sehr verbunden und liebt es, wenn spontan und ohne großes Tamtam und Organisieren musiziert und gesungen wird. Dass viele Jugendliche Musik nur noch aus der Konserve, also von der CD oder vom iPod konsumieren, findet er schade. Wichtig sei es auch nicht, jeden Ton genau zu treffen. Etwas gemeinsam und gerne zu machen, sei viel wichtiger. So sieht das auch Gabriele Off-Nesselhauf, in deren Familie an Heiligabend immer musiziert wird und die selbst gerne bayerische Weihnachtslieder singt. So wie eines davon im Liederheft steht: "Gott grüaß enk Leutl". Zwei Seiten davor ist einer von Kinks Favoriten vertreten: "Kommet ihr Hirten". Und jene werden dann aus 200 Kehlen inbrünstig nach Germering herbeigerufen.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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