Germering:Verbaler Drucklufthammer

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Poetry-Slammer zeigen in der Cordobar, dass ihre Kunstform alles darf

Von Edith Schmied, Germering

Was macht ein Poetry Slammer, wenn sein runder Geburtstag ansteht? Klar, er feiert, lädt sich eine Reihe Gleichgesinnter ein, und stellt sich selbst auf die Bühne. Das tut Martin Pollok ziemlich ausgiebig. Schließlich gilt es für ihn das "4o-jährige Bühnenjubiläum auf Mutter Erde" zu begehen. Zur Verstärkung und Abwechslung auf der Bühne hat er Benedikt Hakel, alias Ernst Froh, Peter Seitz und Gerhard Salz eingeladen. Alle drei gehören zur Germeringer "Wortfamilie". Das ist ein lockerer Zusammenschluss von Künstlern jeder Art. Alles, was irgendwie aus dem Rahmen fällt, passt in die Familie.

Der Sozialpädagoge Pollok hat sich den Künstlernamen "Rhymemantiker" zugelegt. Spätestens nach dem ersten Rap - er ballert die abgehackten Silben in die Runde - wissen alle Zuhörer warum. Der ganz spezielle Sprechrhythmus gibt allenfalls Wortfetzen frei, die sich durch eindringliches Wiederholen einprägen. Aus den Wellen der Nichttexte tauchen einzelne Fragmente auf, "Buchstaben, die bluten", "Flora - Fauna - Sauna", " L - O - Wie - Sakratie". Entscheidend sind nur der Rhythmus, die Sprachmelodie und vor allem der ganz individuelle Sound. Den arrangiert der "Rhymemantiker" zu den jeweiligen Versen selbst. "Elektronische Emanzipation", nennt er das. Für diese Art von Performance muss man als Zuhörer schon ein Faible haben. Lediglich das etwas romantisch angehauchte Lied von der Räuberstochter, die auszog um die Liebe zu lernen, gewährt eine Verschnaufpause. Nur kurz, dann folgt der Rap "Spurensuche" in der Gedenkstätte Dachau. Die politische Botschaft, der hämmernde Sound, der eindringliche Text - dieses Mal ist er gut zu verstehen - geht unter die Haut.

Mit dem Auftritt von Benedikt Hakel hellt sich die Stimmung wieder auf. Sein Künstlername "Ernst Froh", passt ausgezeichnet zu dem Sonnyboy. Hakel ist viel unterwegs und hat immer ein paar Bücher im Gepäck. Der Auftritt in der "Cordobar", das bedeutet für ihn "back to the roots". Denn hier hat er 2004 bei seinem ersten Poetry Slam den zweiten Platz belegt. Der Wortsportler liebt das Spiel mit Worten und Buchstaben, durch ungewöhnliche, fantasievolle Betonungen verfremdet er gerne deren Sinn. Am liebsten schreibt Hakel Liebesgedichte, aber keine schwülstigen, lieber die komischen und lustigen. Ein Liebesgedicht würde ja gut zum Geburtstag passen, aber unter Männern? "Geht gar nicht". Der Gastgeber hat sich stattdessen den S- und U-Bahn-Text gewünscht. Rund 180 Stationen hat der Slammer in eine herrlich witzige Geschichte von "Sendlinger Torheiten" bis hin zu "Höllriegelskreuth noch Mal" gepackt.

Gerhard Salz, der dritte Performer des Abends, ist genau genommen kein Poetry-Slammer. Rezitator ist treffender. Zusammen mit Hakel ist er oft in München zu Lesungen unterwegs, etwa im Hofspielhaus. Aus seinem umfangreichen Repertoire wählt er klassische Gedichte aus. Witziges und Unterhaltsames von Erich Fried und Winfried Bornemann, Skurriles von Robert Gernhardt. Was "Der Ernst des Lebens" bedeutet und wie viele individuelle Macken die Ehe verträgt, beantwortet der subtile und hintergründige Text des Autors Thomas Rosenlöcher

Der Freizeitdichter Peter Seitz hat den Blick fürs Unwesentliche. Aus aktuellem Anlass entscheidet er sich für eine Geschichte von der Wiesn 2015. Er kämpft darum, sein denkbar knapp bemessenes Jahreskontingent an Bierkonsum nicht zu überschreiten, was zur fast unlösbaren Aufgabe wird. Die Story erinnert freilich eher an einen Erlebnisaufsatz. Aber den Gesetzen des Poetry-Slams nach, falls es überhaupt welche gibt, ist formell und inhaltlich ohnehin alles möglich. So gesehen geht auch diese Darbietung schon in Ordnung.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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