Germering:VdK will soziale Spaltung stoppen

Lesezeit: 2 min

Tausend Mitglieder aus 17 Kreisverbänden fordern in Germering mehr Gerechtigkeit, unter anderem bei der Rente

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Ulrike Mascher, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, konnte sich in der Germeringer Stadthalle entspannt aufs Podium setzen und zufrieden beobachten, wie die Abgeordneten der Parteien um die Zustimmung der VdK-Mitglieder buhlten. "Ich bin Mitglied im VdK und in der Awo", führte sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech dann auch sofort brav ein. Die anwesenden Mitglieder im Saal waren zahlenmäßig eine eindrucksvolle Macht. Etwa tausend Besucher, die in Bussen aus den 17 Kreisverbänden in Oberbayern kamen, füllten an einem heißen und sonnigen Nachmittag die Stadthalle fast drei Stunden lang bis auf den letzten Platz.

Die vorwiegend älteren VdK-ler wollten vor allem auch wissen, wie es mit der Rente weitergeht. "Soziale Spaltung stoppen" nannte der VdK seine Großkundgebung, die auch Armut, Pflege und Probleme behinderter Menschen auf der einen und Reichtum und Steuerflucht auf der anderen Seite thematisierte. "Wir wollen uns in die Bundestagswahl einmischen", hatte Michael Pausder, der VdK-Landesgeschäftsführer Bayern, zuvor nachdrücklich erklärt und mit der Mitgliederzahl gewuchert. 662 000 Mitglieder hat der VdK in Bayern. "Täglich kommen hundert bis 150 dazu", verkündete Pausder stolz. "Das muss uns mal jemand nachmachen." Die Vereinigung hätte dreimal so viele Mitglieder wie alle Parteien in Bayern zusammen.

36 Milliardäre in Deutschland würden so viel besitzen wie der gesamte arme Teil der Gesellschaft, skizzierte Pausder die soziale Spaltung anschaulich. Der Kontrast sei ein Skandal. "Es ist ein Armutszeugnis, wenn alte Menschen bei der Tafel Schlange stehen müssen", kritisierte er. Er forderte bei der Rente die Gleichstellung der älteren Mütter, die vor 1992 ein Kind auf die Welt gebracht haben. Die Anerkennung des dritten Jahres für die Mütterrente müsse kommen. Das würde eine Rentenerhöhung von etwa 30 Euro im Monat bedeuten. "Das muss aus Steuermitteln finanziert werden", forderte Pausder unter dem Beifall der Anwesenden. Bisher hätte sich nur die CSU dafür eingesetzt. "CDU und SPD verweigern sich leider", bedauerte er. "Die Rentenerhöhung durch die Mütterrente darf bei den armen Rentnerinnen nicht im Rahmen der Grundsicherung im Alter verrechnet werden", forderte Ulrike Mascher später. "Da muss es einen Freibetrag geben." Sie geißelte auch den "Betrug an uns allen" durch die "100 Milliarden Steuerhinterziehung" der Superreichen. Auch die Milliarden-Dividenden bei BMW dürften nicht nur mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer besteuert werden.

Alle Berufsgruppen müssten in die Rentenkasse einzahlen, führte Pausder das Schweizer Beispiel mit einer Mindestrente von 1070 Euro an. Entschieden wandte sich der VdK-Geschäftsführer gegen ein Renteneintrittsalter von 70 oder gar 75 Jahren: "Für Berufspolitiker wie Seehofer und Schäuble ist das machbar, aber in den Bauberufen unmöglich." Große Zustimmung im Saal fand auch Verena Bentele, die Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung. Die erblindete Rednerin, die auch Mitglied im VdK-Landesvorstand Bayern ist, machte sich vor allem für die Barrierefreiheit in Betrieben der Privatwirtschaft und Arztpraxen stark. "Nicht einmal jede sechste Praxis ist barrierefrei", kritisierte Bentele, die vielfache Paralympics-Siegerin im Skilanglauf und Biathlon ist. Sie bemängelte auch, dass 37 000 Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern eine Ausgleichsabgabe zahlten, anstatt Behinderte einzustellen.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich Toni Hofreiter, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag, Florian Pronold (SPD), Staatssekretär im Bundesumweltministerium sowie Andreas Wagner, Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis Tölz-Wolfratshausen/Miesbach, weitgehend einig. Sie plädierten für eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen sollen. Hofreiter wollte eine Garantierente von 910 Euro und eine Reform der Riester-Rente, die sich wenig verdienende Arbeitnehmer nicht leisten könnten. Wagner plädierte für 1050 Euro Mindestrente und eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. Für die CSU bestätigte Zech, dass seine Partei eine Rentenkommission einrichten wird, die bis 2019 Ergebnisse liefern soll.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: