Germering:Unterhaltsame Wortspiele

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Die Germeringer "Poetry Night" gibt der Sprachkunst eine Bühne

Von Edith Schmied, Germering

"Ich denke, also reime ich; oder doch treffender: "Ich reime, also bin ich" - wer will das schon so genau sagen? Am Besten funktioniert das Dichten ohne Wettbewerbsdruck. Einfach kreativ und spontan sein, dichten, fabulieren, performen, ganz nach Laune und Stimmung Gefühle preisgeben, oder doch lieber nicht so viel von sich verraten. In der "Poetry Night" bietet der literarische Nachwuchs aus dem Landkreis und aus München diese ganze Bandbreite. Gregor Poglitsch und Sophie Schuhmacher haben den Event in der Cordobar organisiert. Die Poesie dieses Abends ist so vielgestaltig und kunterbunt wie die Erzähler selbst. Ein Querschnitt durch Gefühlswelten und Gedankenbilder tut sich da auf, mal ernsthaft, nachdenklich und schwermütig, dann schräg und amüsant, fantasievoll, poetisch, kritisch. Auf jeden Fall ist es ein beeindruckender, abwechslungsreicher Schlagabtausch von jungen Dichtern, die dieses Mal nicht in den sonst üblichen Wettstreit beim "Poetry Slam" treten.

Als musikalische Umrahmung des Abends wagt sich ein Germeringer Trio zum ersten Mal auf die Bühne. Anna, Seb & Tajana mixen ihre unterschiedlichen Tonlagen zu einem außergewöhnlichen aparten Sound mit Gitarrenbegleitung. Die junge Band hat noch nicht einmal Zeit für einen eigenen Namen gefunden. Das Problem sind sie nach diesem Abend los. Aus den unterschiedlichen Vorschlägen der Zuhörer, wie "Two and a half girl" oder "Dreiecksbeziehung" entscheiden sie sich für das etwas kryptisch anmutende "Mashamatio". Zwar weiß keiner, was das bedeutet, aber die Drei finden das richtig "cool".

Ein bunter Reigen von Gedanken schwirrt durch die jugendlichen Köpfe. Bei Sebastian Lederer ist es philosophisches Grübeln über "Schein" und "Sein". Sein Zwillingsbruder Konstantin fasst seine Zweifel über das Woher und Wohin in drei Gedichte. Ein ziemlich konträrer Typ ist Jan Stockwald. Seine Nervosität setzt er in quirlige Aktionen um und hat die Lacher auf seiner Seite. Er passt mit seinem Lästermaul eher ins Kabarettfach. Ganz anders gestrickt ist da Moderatorin Sophie Schuhmacher. Sehr gekonnt fasst sie ihre Gedankenwelt in Reime. Angst vor Mittelmäßigkeit und Freiheitsdrang sind einige Ihrer Themen. Monika Kleeblatt kann ihre Zugehörigkeit zur Germeringer Wortfamilie nicht verleugnen. Sie liebt Sprachartiges, verteilt Mundartiges, hasst Wortabschneider, weil sie gerne diskutiert, erst recht Aaswortgeier. Martin, ein weiteres Familienmitglied, nennt sich Rhymemantiker. Er trägt, wie er sagt, "die Feder auf der Zunge" und ist politisch orientiert. Sein einpeitschender Rap ist eine willkommene Abwechslung.

Das Rauschen im Blätterwald beginnt bei Nocturnus aus München mit der endlosen Suche nach nicht vorhandenen Merkzettelchen. Sein eindeutig politischer Protest äußert sich in Parolen wie "Nieder mit der Festung Europa", oder der Kritik am G 7-Treffen in Elmau. Der Münchner Sebastian Bartenhauser alias Samedi tarnt sich bei seinem ersten Auftritt mit Strickmütze und Sonnenbrille. Er verarbeitet "extrem Persönliches" wie den Tod seines Opas und taucht mit seinen Metaphern oft in die griechische Mythologie ein. Das wirkt irgendwie verwirrend.

Leon Brandl alias Camillo hat bereits ein Buch geschrieben und ist wettbewerbserprobt. Der hippelige Typ fast seine Gedanken über Freiheit, Wahrheit und Sinnsuche in Worte bis die Angst zerbröselt zu einem nichtsnutzigen Wesen. Moderator Nathanael Scheutz bringt zum Abschluss mit seiner kabarettistischen Performance richtig Schwung in die Bude. Als Doktor, Doktor Jürgen Kowalsky lässt er das Publikum sehr anschaulich an seiner Arbeit mit Verrückten teilnehmen und brilliert mit Besserwisserdeutsch über Kindererziehung. Traumziel: Das Kind verlangt von sich aus nach Anpassung.

Am Ende wird doch ein Preis vergeben. "Muschel" heißt das Stichwort, aus dem alle Teilnehmer während der Pause einen Kurzbeitrag fabrizieren sollen. Das Publikum findet die Impro-Einlage von Nocturnus und Nathanael am Witzigsten. Den Siegerkranz müssen sich die beiden allerdings abschminken. Eine Bart-Attrappe und eine Flasche Rotwein tun's auch und passen auch viel besser zu der originellen Veranstaltung. War übrigens die zweite Veranstaltung in diesem Jahr, die erste war im Frühjahr.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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