Germering:Sangliche Freiheiten am Klavier

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Salon- statt Konzertsaal-Atmosphäre: Die Bühne in rotes Licht getaucht und auf den Flügel ausgerichtet, die Pianisten Olga Scheps im eleganten Kleid. (Foto: Günther Reger)

Bemerkenswertes Konzert der Pianistin Olga Scheps mit romantischen und russischen Tönen bei der Germeringer Klassik-Reihe

Von Klaus Mohr, Germering

Klavierabende haben eine eigene Dynamik: Eigentlich erklingt oft Musik, die eher in ein Wohnzimmer als in einen Konzertsaal gehört, und doch ist ein großer Steinway-Flügel ohne weiteres in der Lage, auch diesen Raum auszufüllen. Aus diesen entgegengesetzten Polen resultierte im Orlandosaal ein ganz anderes Raumgefühl: Der Saal war ganz abgedunkelt, und auf der Bühne fiel nur gedecktes Licht auf den Flügel. Rotes Licht an den Bühnenwänden erzeugte eine Stimmung, wie man sie in einem Salon, Kino oder Club vermutet. Auf diese Weise nahm der Besucher die tatsächlichen räumlichen Dimensionen gar nicht mehr wahr, sondern war optisch alleine auf den Flügel fokussiert. Dort saß in einem roten, glitzernden Kleid die dreißigjährige Pianistin Olga Scheps, die im Rahmen der Klassik-Reihe auftrat.

Ihr Spiel allerdings war weniger oberflächlich glänzend, sondern, vergleichbar dem Licht, deutlich konzentriert auf den Gehalt der Musik. Auf dem Programm standen Werke der beiden Schwerpunkte der Künstlerin, nämlich romantisches Repertoire von Frédéric Chopin und russisches von Peter Tschaikowsky.

Chopins Ballade Nr. 1 in g-Moll op. 23 eröffnete den Abend. Mehr als andere Werke des Meisters erzählt sie eine Geschichte mit Tönen und doch handelt es sich nicht um Programmmusik, die ein auch mit Worten zu beschreibendes Geschehen einfach in Töne übersetzt. Vielmehr folgt der Erzählgestus einer eigenen Logik, die sich spezifisch nur in Klängen darstellt. Gleich zu Beginn hatte die Oberstimme einen intensiv singenden Charakter, der mit einem kräftigen Anschlag kombiniert war. Daraus entstand kein Gegensatz, weil im Spiel von Olga Scheps zwar alle dynamischen Schattierungen bis an ihre Ränder ausgeleuchtet waren, eine gewisse Noblesse des Klangs aber ohne jede Härte nie verlassen wurde. Der Pedalgebrauch war immer so, dass es keine erstarrte Trockenheit, aber auch kein undefinierbares Klangbad gab. Klarheit des Spiels herrschte auch an den virtuosen Stellen vor, wobei die Klangbalance jeweils geschickt gewichtet war.

Obwohl Chopins Sonate Nr. 3 in h-Moll op. 58 von ihrer Anlage her als konventionelles Werk in der Sonatensatzform in einem gegenüber der Ballade engeren formalen Kontext angesiedelt ist, veränderte Olga Scheps ihre klanglichen Vorstellungen nicht. Ihr Spiel hatte auch hier eine wunderbare Präsenz und die Motive des Kopfsatzes (Allegro maestoso) strahlten poetischen Klangsinn aus, so dass die Pianistin in die Rolle einer musikalischen Erklärerin schlüpfte. Dem perlenden Akzent des Scherzo-Beginns stellte sie später ein meditatives Nachdenken gegenüber. Weitgreifend nahm die Pianistin die Oktaven im Finale und unterfütterte sie mit virtuosen Spielfiguren, die absolut präzise waren.

Nach der Pause folgte der Zyklus "Die Jahreszeiten" op. 37a von Peter Tschaikowsky, wobei es sich um einzelne Stücke für jeden der zwölf Monate eines Jahres handelt. Jedem Stück liegt der Vers eines russischen Dichters zugrunde, wobei diese mehr Inspirationsgrundlagen als tonmalerische Eingebungen bildeten. Insofern war es auch weder erforderlich noch aufgrund der Lichtverhältnisse überhaupt möglich, die Verse begleitend zum Klaviervortrag zu lesen. Bei einigen der Stücke beeindruckte die schlichte Liedhaftigkeit, die oft in ein interessantes harmonisches Gewand gehüllt war. Wie ein strahlender Sonnenklang muteten die vollgriffigen Akkorde im Juli-Stück an, ganz elegant drehte sich der Walzer im Dezember-Werk. Drei Zugaben rundeten schließlich den bemerkenswerten Abend mit der in Deutschland lebenden russischen Pianistin Olga Scheps sehr schön ab

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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