Germering:Frühmittelalterliches Gräberfeld

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Bei den Bauarbeiten für eine Wasserleitung wurde das Skelett einer Frau, wahrscheinlich aus dem siebten Jahrhundert, gefunden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Arbeiter stoßen in der Steinbergstraße in Germering auf Skelette. Der Stadtarchäologe ist nicht überrascht, schon 1934 waren dort Knochen freigelegt worden.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Tobias Brendle legt seinen Meterstab längs neben das Skelett. Der Meterstab ist länger als die Knochenreste, die bei Bauarbeiten für eine Wasserrohrleitung in der Germeringer Steinbergstraße freigelegt worden waren. Das Skelett wird von dem Archäologen gerade exakt vermessen. "So einen Fund haben wir nicht alle Tage", sagt Brendle, der für die Münchner Ausgrabungsfirma "Dig it" arbeitet. Der Germeringer Stadtarchäologe Marcus Guckenbiehl zeigt sich ebenso erfreut über den Gräberfund. "Das ist ein frühmittelalterliches Grab" aus der Zeit vom Ende des siebten Jahrhunderts, ordnet Guckenbiehl den Fund ein.

Guckenbiehl ist nicht sehr überrascht, dass die Arbeiter hier fündig geworden sind. Bereits im Jahr 1934 seien vom damaligen Lehrer Hacker Skelettfunde auf einem Bauplatz Ecke Steinbergstraße/Obere Bahnhofstraße gemeldet worden. Auch 1937 hätte es Berichte über den Fund eines Gräberfeldes beim Wasserleitungsbau in diesem Areal gegeben. Der Standort lag im siebten Jahrhundert außerhalb der Siedlungen der beiden damaligen Dörfer Germering und Unterpfaffenhofen. "In dieser Zeit haben die Menschen damit begonnen, ihre Toten außerhalb der Orte zu bestatten", berichtet der Stadtarchäologe am Rande der Grube mit Blick auf den Skelettfund. Dort habe es damals Reihengräberfelder gegeben, also einen Friedhof oder mehrere kleine Friedhöfe.

Gleich nebenan ist eine weitere Grube ausgehoben worden. Auch hier gibt es den typischen großen dunklen Fleck, der ein Hinweis auf ein weiteres Grab ist. "Die dunklen Spuren deuten auf eine Bestattung mit Sarg hin", erklärt Guckenbiehl. Häufig wären zu dieser Zeit Menschen in ausgehöhlten Baumstämmen begraben worden. Das zweite Grab wird einen Tag später freigelegt. Guckenbiehl hat Erfahrung mit dem Erkennen und Freilegen von Gräbern aus dem frühen Mittelalter. Bereits in der Krippfeldstraße war er fündig geworden. Auf dem nahen Feld an der Steinbergstraße, auf dem jetzt zwei Wohnblöcke entstehen, gab es keine Funde. Die beiden jetzt entdeckten Gräber befinden sich direkt unterhalb der Steinbergstraße. Dort hatte sich der Stadtarchäologe mit einer Schaufel erneut im Zusammenspiel mit einem Baggerfahrer, der seine Schaufel höchst sensibel bewegen kann, an die Gräber herangetastet. Zunächst wurde eine Kiesschicht abgetragen und danach ganz vorsichtig die Erde nach und nach abgezogen.

Nachdem der schwarze Fleck zum Vorschein kam, ging man zur Handarbeit über. Auch Tobias Brendle arbeitet mit einer Kelle. Er hat damit die Erde um das Skelett etwas abgetragen und misst nun alle Abstände zwischen den Knochen. "Es ist eine Frau", sagt er. "1,60 bis 1,70 groß war sie wohl". Das sei jedoch eine Schätzung, weil sie in gestreckter Rückenlage beerdigt worden ist.

"Das war in dieser Zeit so üblich", ergänzt Brendle, warum, das weiß man nicht genau. Auch nicht, warum alle Toten mit dem Kopf nach Westen gedreht wurden. Sehr markant schimmert etwas Goldenes auf Kopfhöhe. "Da ist ein Glasstück mit vergoldetem Silber gefasst worden", erklärt der Archäologe. Das trägt die Tote als Anhänger um den Hals.

Das Skelett wird schließlich aus der etwa 1,50 Meter tiefen Grube gehoben, um es zum Landesamt für Denkmalpflege zu bringen. Dort sollen Anthropologen die Knochen untersuchen, um exakt zu bestimmen, wann die Frau lebte. Auch welche Krankheiten sie vielleicht hatte, können die Forscher herausfinden. Guckenbiehl wird die Steinbergstraße an der Ecke Obere Bahnhofstraße noch für längere Zeit beschäftigen. Er ist überzeugt, dort weitere Gräber zu finden, besonders unter der nahen Kreuzung.

Stadtwerkeleiter Roland Schmid sieht die Verzögerung beim Verlegen der neuen Wasserrohrleitungen in der Steinbergstraße entspannt. Er weiß, dass die Archäologie erst einmal Vorrang hat: "Das Gesetz will das so."

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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