Gegen den bundesweiten Trend:Alkoholmissbrauch Jugendlicher nimmt zu

Lesezeit: 3 min

DAK-Zahlen zufolge mussten 2016 gut ein Drittel mehr betrunkene Buben und Mädchen aus dem Landkreis stationär behandelt werden als im Vorjahr. Jugendamt, Verbände und Vereine versuchen gegenzusteuern

Von Katharina Proksch, Fürstenfeldbruck

Die Zahl der jugendlichen Fürstenfeldbrucker, die wegen Alkoholmissbrauchs in eine bayerische Klink eingeliefert wurden, ist im Jahr 2016 um knapp 38 Prozent gestiegen - deutlich mehr als im bundesweiten Trend, wie Ulrich Koller von der Fürstenfeldbrucker Geschäftsstelle der Krankenkasse DAK betont. Thomas Christiani von der Brucker Suchtberatungsstelle der Caritas bestätigt, dass auf Bundesebene 1,8 Prozent mehr Deutsche im Alter von zehn bis 19 Jahren wegen Alkoholexzessen im Krankenhaus versorgt werden mussten.

Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik sind im Jahr 2015 genau 66 Personen aus dem Landkreis im Alter von 10 bis unter 20 Jahren in Krankenhäusern stationär behandelt worden, ein Jahr später waren es 91 - 53 Jungen und 38 Mädchen. "Viele Jugendliche überschätzen sich und glauben, Alkohol gehört zum Feiern und Spaß haben dazu", so Koller. Jüngst musste ein 14-Jähriger mit dem Verdacht auf eine Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Freunde des Olchingers alarmierten Polizei und Rettungsdienst, konnten sich dann aber ebenso wie der Delinquent angeblich nicht mehr daran erinnern, wo er den Alkohol her hatte. Ein möglicher Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz werde überprüft, so die Polizei.

In den vergangenen 16 Jahren mussten zunehmend mehr junge Fürstenfeldbrucker auf Grund übermäßigen Alkoholkonsums stationär versorgt werden. Waren es 2006 noch 43 Patienten, verdoppelte sich die Zahl innerhalb von zwei Jahren fast auf 85. Besonders schlimm war es im WM-Jahr 2010. "Public Viewing hat sich weit verbreitet, der Eventcharakter stieg", so Christiani. In den Folgejahren sanken die Zahlen etwas, um bei der nächsten Weltmeisterschaft 2014 wieder anzuziehen. Vor allem Buben und junge Männer scheinen bislang besonders anfällig zu sein. "Das gleicht sich aber immer mehr an, und die Rollenbilder verschwimmen", so Christiani. "Tendenziell aber handelt es sich bei den meisten Alkoholvergiftungen von Jugendlichen um Unfälle". Denn für diese Altersgruppe ist es naturgemäß besonders schwer, die eigenen Grenzen beim Konsum einzuschätzen. Besonders heimtückisch sind Mischgetränke. Die Süße der sogenannten Alkopops täuscht über den Alkoholgehalt von etwa 2,5 bis 5,5 Volumenprozent hinweg, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA).

Wer annimmt, das Alkoholproblem fokussiere sich auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht, der irrt. "Die Beratung findet in allen sozialen Schichten statt", sagt Christiani. Den Kontakt zur Beratungsstelle suchen entweder Eltern selbst, oder er erfolgt durch Auflagen der Justiz. Zudem stehen in den Krankenhäusern geschulte Honorarkräfte an den Wochenenden bereit, die auf freiwilliger Basis Kontakt zu den Jugendlichen suchen. Zu Beginn müsse häufig die Situation zwischen Eltern und dem Kind deeskaliert werden. Christiani betont, die Zahl der jugendlichen Rauschtrinker in den Krankenhäusern des Landkreises sei eher gesunken. "Der Großteil der Jugendlichen wird wohl in Münchner Krankenhäusern behandelt", vermutet er. Das vermutet auch der Jugendkulturverein Subkultur. Bei den eigenen Veranstaltungen werde selten über die Stränge geschlagen. "Die Probleme haben eher abgenommen," so der Vorsitzende Jannik Heinzelmann. Als Veranstalter sei man verantwortlich für den Ausschank und empfehle im Bedarfsfall nachdrücklich, auf Antialkoholisches umzusteigen.

Im Zuge des Alkoholpräventionsprojekts "Hart am Limit" (Halt) des Landratsamt veranstaltete die Subkultur im zurückliegenden Sommer zum sechsten Mal das Halt-Festival, ein Musikfestival ganz ohne Alkohol. "Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol ist das Hauptanliegen des Halt-Projekts", erklärt Rita Friedrich, Jugendschutzexpertin des Jugendamts. Zwar hätten manche Besucher gerne ein Bier zur Band, doch werde das Alkoholverbot streng eingehalten, so Heinzelmann.

Seit 2009 kooperieren Landratsamt, Kreisklinik und Caritas als Halt-Partner. Mit Informationskampagnen wollen sie auf Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam machen. Hinzu kommen Beratung und Unterstützung Betroffener. Um exzessiven Alkoholmissbrauch so gering wie möglich zu halten, vereinbarte der Landkreis 2012 mit Gemeinden und Städten sowie den Polizeiinspektionen feste Regeln "gegen Alkoholmissbrauch auf Festveranstaltungen". Im Blick waren nicht nur öffentliche Veranstaltungen, sondern auch Stadel- und Burschenfeste, Weinfeste, Konzerte und große private Partys. Das Konzept sieht strenge Einlasskontrollen vor und gut sicht- sowie unterscheidbare Armbänder, mit denen Gäste in verschiedene Altersklassen eingeteilt werden. Sollten Kinder und Jugendliche dennoch Alkohol oder Drogen konsumieren, sollen Eltern oder Sanitätsdienst und Polizei verständigt werden.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: