Gedenken:Die Mahnung bleibt

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Vor dem Todesmarsch-Mahnmal an der Dachauer Straße versammeln sich Bürger, Politiker und Soldaten zum Gedenken. (Foto: Günther Reger)

Mehr als 100 Menschen nehmen in Fürstenfeldbruck am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus teil. Zwei Soldaten der Offizierschule der Luftwaffe kommen dabei besondere Rollen zu

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Alle wussten von den Konzentrationslagern, "Dachau" war ein geflügeltes Wort, viele hatten von den Massenmorden gehört, die sich im Osten abspielten. Die letzten Verbrechen spielten sich vor ihrer Haustüre ab. Ende April 1945 lockte das Klappern von Tausenden von Holzschuhen die Brucker Bürger auf die Straße. Die Überlebenden aus den KZ-Außenlagern bei Landsberg wurden von ihren Wächtern durch den Landkreis getrieben. Zwi Katz berichtete später, dass die Einwohner Brotstücke aus den Fenstern der höheren Etagen warfen. "Es war ein gutes Zeichen. Es war aufmunternd und stimmte mich optimistisch, der Krieg ging sichtlich zu Ende", notierte er.

Bei der Gedenkveranstaltung am Samstag am Todesmarsch-Mahnmal in Fürstenfeldbruck las Bastian Baumert, Soldat an der Offizierschule der Luftwaffe, die Passagen aus dem Buch von Katz vor. Sechs Tage musste der sich durch Oberbayern schleppen, immer in Gefahr, von den Deutschen noch per Genickschuss ermordet zu werden, bis ihn US-Soldaten in der Nähe von Wolfratshausen befreiten. Beim Abmarsch aus Kaufering hatte er gehofft, unterwegs fliehen zu können, fand dazu aber keine Gelegenheit. "Die Verbissenheit der Nazis bis zum letzten Tag konnte man nicht voraussehen", schrieb er.

Die Soldatin Caren Schürmann trug einen längeren Ausschnitt aus den Erinnerungen von Viktor Frankl vor, der Auschwitz überlebt hatte. Dazu trug bei, dass der österreichische Neurologe und Psychiater sich gegenüber den Mördern stets als Arzt ausgab, ohne seine Fachrichtung zu nennen. Er berichtete von der radikalen Verneinung menschlicher Existenz in dem Vernichtungslager und dass es oft vom Zufall abhing, ob man eine der vielen Selektionen überlebte, die die Wächter anstellten.

Mehr als 100 Menschen versammelten sich am Samstagvormittag am Mahnmal an der Dachauer Straße, das Hubertus von Pilgrim geschaffen hat, darunter viele Politiker, aber auch Vertreter von Vereinen und Verbänden sowie Gewerkschafter. Karl Rom, einer der letzten Überlebenden, hatte eine Grußbotschaft geschickt. Altersbedingt könne er an der Veranstaltung nicht mehr teilnehmen. Rom war über viele Jahre zu dieser Veranstaltung nach Bruck gekommen. Außerdem spielten Susanne Seitz, Christoph Paul und Wolfgang Heinbach ein rumänisches Stück und eine irische Ballade.

Julia Zieglmeier vom Arbeitskreis Mahnmal erinnerte daran, dass der 27. Januar, vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog 1996 zum Gedenktag ausgerufen worden ist, weil die Rote Armee an diesem Tag 1945 die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz befreit hatte. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen erklärte den Tag 2005 zum internationalen Holocaust-Gedenktag. Zieglmeier zitierte aus einem Buch von Lizzie Doron, deren Mutter die Shoa überlebt hatte. Auf die Frage, welche Rituale sie sich für die Gedenktage wünsche, hatte diese geantwortet: "Ich möchte Kontinuität sehen, Kontinuität beim Erinnern und Zurückblicken. Dabei ist die Zukunft nicht weniger wichtig als die Vergangenheit." Sie wünsche sich eine Zeremonie, in der dem Hass eine Absage erteilt wird, "eine Zeremonie, in der wir die Hand jenen reichen, die anders sind".

In Gröbenzell legten Bürgermeister Martin Schäfer und sein Stellvertreter Axel von Walter am Samstagnachmittag einen Kranz am Mahnmal für die Opfer der NS-Herrschaft auf dem Platz vor der Post nieder. Die Schülersprecher des Gymnasiums Gröbenzell lasen Textauszüge aus dem Buch "Kindheit im Holocaust" von Solly Ganor vor, einem weiteren Überlebenden aus Kaufering. Knapp 80 Menschen nahmen an diesem Gedenken teil.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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