Gaukler, Ritter und Marketender in Fürstenfeld :Dem Bösewicht geht's nass rein

Lesezeit: 3 min

An die 5000 Zuschauer wohnen dem Markttreiben am Wochenende und den Ritterturnieren bei. Dass das Gute am Ende die Oberhand behält, war abzusehen. Nur der Nieselregen stört das Bild

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Im Mittelalter zu leben hätte für Florian, der sich am Sonntagnachmittag von seinen in der Grafschaft Puchheim ansässigen Eltern Begleitschutz geben lässt, schon seine Reize. Als Ritter müsste man nächsten Dienstag nicht in die Schule. Und man könnte sich die Zeit mit glorreichen Kämpfen vertreiben oder sich an Fleischspieß oder Flammkuchen laben. Wären da nicht zwei Pferdefüße: "Bei dem Regen macht das Lagerleben nicht so richtig Spaß", schwant es dem Zwölfjährige. Außerdem ist er nicht wirklich bereit, seinen digitalen Weggefährten gegen analoge Hellebarde oder Pfeil und Bogen einzutauschen. Also lieber in der Neuzeit bleiben und sich die Fürstenfelder Ritterspiele mit der gebotenen Distanz ansehen - so wie weitere knapp 5000 Besucher an den drei Veranstaltungstagen dies tun.

Wettertechnisch befindet sich Fürstenfeld am Samstag und Sonntag zeitweise nicht nur im Mittelalter, sondern in dessen allerfinsterster Epoche. Am Samstag nieselt es ohne Unterlass, und Knappen, Recken und Burgfräuleins geht's ordentlich nass rein. Da verliert sogar der Schwarze Ritter kurzzeitig die Lust am Malträtieren und an den hinterlistigen Attacken, wie er, vom hohen Ross gestiegen, tags darauf dem SZ-Herold in die Feder diktiert: "Da war ich nass bis auf die Unterhose, gar nicht schön."

Nun tragen Ritter, soweit man das aus Überlieferungen weiß und anhand des Mittelalter-Online-Shops recherchiert, gar keine klassische Unterhose unterm Wams. Macht aber nichts, denn der Schwarze Ritter ist im wirklichen Leben auch kein Schwarzer Ritter, sondern der gelernte Heizungs- und Lüftungsbauer Nicki Pfeifer. Gemeinsam mit seiner Frau Dajana ist der 44-Jährige das Herz der veranstaltenden Excalibur-Horse-Shows und Chef einer 20 Mitglieder zählenden Truppe. Der einstige Spring- und Dressureiter aus einem 550-Seelen-Dorf zwischen Berlin und Leipzig, der seit 35 Jahren mit Pferden arbeitet, hat längst umgesattelt von Sport auf Show.

Man kennt die Entourage vom weihnachtlichen "Palast der Pferde". Mit neuem Programm wird sie auch Ende Dezember bis Anfang Januar wieder in Fürstenfeld gastieren, bevor die diesjährige Ritterpremiere am Klosters im kommenden Jahr wiederholt wird. Vielleicht bleibt dann die Unterhose des Schwarzen Ritters trockener. Vielleicht bezwingt er dann seinen hartnäckigen Gegenspieler Aragón doch noch. Und vielleicht ist dann ja auch das Publikum auf seiner Seite, das ihn wegen seiner Intrigen und seines großen Mundwerks ausdauernd ausbuht. Und das, obwohl er beim Kampf Mann gegen Mann den großspurigen Worten doch zunächst auch Taten folgen lässt. Als Aufwärmübung schnitzelt er in vollem Galopp mit gezielten Schwerthieben vom Sattel aus einen Apfel nach dem anderen, trifft mit dem Wurfstern leidlich ins Schwarze und lässt die Lanze trefflich an den Schildern der vom Pferd purzelnden Gegenspieler zersplittern. Er kennt sich im Paragrafenwerk des RGB (Ritterliches Gesetzbuch) genauso gut aus wie in der Kunst des heimtückischen Angriffs im Rücken des Gegners. Und da wird gebuht? "Das Volk möge das Maul halten!" Mit Hilfe der liebreizenden blonden Tora und einem mit reichlich Wunderwasser befüllten Krug obsiegt letztlich natürlich das Gute über das Böse und der Schwarze Ritter muss schmählich das Feld räumen - nicht ohne in einem letzten Anflug von Aufrichtigkeit mit Blick auf die von Pferdehufen umgepflügte Wiese festzustellen, dass "der Landschaftsgärtner am Montag ganz schön was zu tun hat."

Es ist diese Mischung aus Action und Witz, von der die Vorstellung lebt. Eine durchaus reizvolle Mischung aus Historienspektakel, Stunt, Monty Python und Kasperltheater, die vom gewogenen Publikum denn auch honoriert wird. Buhrufe gibt's nur für den Schurken, Applaus für alle anderen Reiter, Edelleute, Knechte und Knappen. Vor allem den Bedürfnissen der Kinder müsse eine solche Vorstellung Rechnung tragen, sagt Pfeifer. Das hat offenbar gut geklappt. Nächstes Jahr, wenn das dreitägige Spektakel am letzten Wochenende der Sommerferien wiederholt werden soll, will Pfeifer allerdings über den Aufbau von Tribünen nachdenken, um hinten stehenden Zuschauern einen besseren Blick aufs Spektakel zu ermöglichen. Zu jenem Spektakel gehört am Wochenende auch das Lager. Mehr als 200 Gaukler, Germanen, Ritter und Marketender haben ihre Zelte aufgebaut. Zu den eigentümlichen Klängen, die die ostgotischen Spielleute von Cradem Aventure Kuhhörnern, Dudelsäcken, Gongs, Schlagwerk, Fidel (und einem geheimnisvollen Instrument, das einem neuzeitlichen E-Bass zum Verwechseln ähnelt) entlocken, bummeln die Besucher zwischen grob zugehauenen Holzmöbeln und langen Tafeln - ohne Gefahr zu laufen, am Pranger nebenan zu enden. Hier kann man sich im Armbrustschießen versuchen (fünf Schuss für drei Euro, pardon Taler), mit einem Münchner Barbaren die Klinge kreuzen, dort mit einem Schottenrock tragenden Lechfeld Highlander oder mit einem von Ubo's Söldnern ein gepflegtes Wort wechseln. Oder man sieht dem schmausenden Edelmann hinter der Spinnerin zu. Es gibt Holzlöffel zu erwerben und selbst gefertigte Holzbögen. Oder anderen Tand, wie kleine Einhörner in Glaskugeln, die nicht aus Glas sind, sondern aus ... naja egal.

Naja egal gibt es bei den Historischen Doggenfreunden aus München eher nicht - zumindest werden neumodische Materialien und Geräte wie Handys oder Zeltheizungen sehr dezent eingesetzt. An einer Tafel sitzt Patrick Wiezorrek, 39, und schildert die Vorzüge, ein Wochenende fern von Nachrichten, Politik, Handy ganz einfach mit Gleichgesinnten am Lagerfeuer oder beim abendlichen Schmaus zu verbringen. "Da kann man abschalten, das ist reinster Urlaub." Und das mit fellbezogenen Betten und Laternen ausstaffierte Schlafzelt verfügt zwar über keinen Fernseher, dafür aber über andere Qualitäten: Es hat sich als weitgehend wasserdicht erwiesen.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: