Premiere:Parallelwelt Zirkus

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Eine flammende Manege, ein nervenaufreibender Drahtseilakt und im Schlepptau viele Tiere: Der Circus Montana ist zu Gast in Fürstenfeldbruck. Bei der Premiere zeigt sich, dass es kein großes Zelt braucht, um eine gute Show zu liefern

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Das Licht der Scheinwerfer erlischt und während das Publikum noch leise flüstert, hüllen die Nebelmaschinen die Manege in sanfte Dunstschwaden. Die Musik setzt ein, die Scheinwerfer strahlen, der schwere rote Samtvorhang öffnet sich und heraus treten drei dunkelhaarige Schönheiten, gehüllt in einen silbern glitzernden Hauch von Nichts. In Ihren Händen halten sie, kokett wedelnd, große weiße Straußenfeder-Fächer, wie man sie von Showgirls der Zwanzigerjahre kennt. Ihre Hüften kreisen im Rhythmus der Musik, die Show beginnt.

Der Circus Montana, der noch bis Montag, 25. Mai, auf dem Brucker Volksfestplatz gastiert, gibt seine Premierenvorstellung. Im Programm, einem Potpourri aus Zirkus-Klassikern und modernen Nummern, folgt die traditionelle Pferde-Show von Manuel Frankordi. Gekleidet im goldbestickten Zirkus-Livree, steht Frankordi inmitten des Manegenrings und gibt die Kommandos. Seine Rufe dröhnen im dunklen Bariton durch das Zelt. Die Pferde tänzeln, ziehen ihre Bahnen und unter dem schwarz glänzenden Fell lassen die Tiere ihre Muskeln spielen. Unter den kräftigen Tritten der Hufe staubt das Sägemehl in kleinen Wölkchen empor. Der Duft des geschnittenen Holzes vermischt sich mit dem scharfen Geruch der Pferde. Es riecht nach Zirkus, nach wilder Romantik und Verruchtheit, nach einer Parallelwelt, die eine Flucht aus dem Alltag verspricht.

Eine der Artistinnen bereitet sich auf ihren heißen Hula-Hoop-Tanz vor. (Foto: Johannes Simon)

Nachdem Frankordi die Pferde der Reihe nach aus der Manege treten lässt und sich verbeugt, wird der Vorhang ganz plötzlich noch einmal zurückgeschlagen und im rasanten Tempo trippeln drei kleine, zottelige Ponys herein: Frankordis kleine Rasselbande. Die Kinder im Publikum sind verzückt. Ihre Augen glänzen im dumpfen Licht weiß lackierter Nostalgielaternen. Frankordis Sohn Gerhard, acht Jahre alt, bekleidet mit einem kecken Clownskostüm, schnappt sich auf Zuruf seines Vaters eine Metallstange und die Ponys setzen zum Hindernislauf an. Nur das kleinste will sich ganz frech vor der Aufgabe drücken und läuft neben seinen springenden Freunden am Hindernis vorbei. Während die beiden größeren bereits wieder den Weg zum Ausgang antreten, wirft das kleinste noch einmal einen Blick zurück, rast um die Stange herum und springt doch noch ganz flott darüber - der große Lacher im Publikum.

Der Circus Montana mag, zugegeben, nicht die Perfektion, das riesige Zelt und den großen Namen eines Circus Krone besitzen, aber genau hier liegt seine Stärke. Denn das Ensemble, bestehend aus etwa 30 Personen, bringt mit, was der kühlen Routine großer Zelte fehlt: Persönlichkeit und Nähe. Wobei die Nähe nicht bloße Floskel, sondern ganz wörtlich zu nehmen ist, trotten die drei behäbigen Kamele doch nur eine Armeslänge an den Besuchern der ersten Reihe vorbei. So nahe, dass man dabei zusehen kann, wie sich die Nüstern der Tiere bei jedem Atemzug aufblähen, so nahe, dass man das Gefühl hat, selbst in der Manege zu stehen. Und dann ist da das Zelt selbst, der kleine Manegenring, das Geländer, umhüllt von rotem und goldenem Paillettenstoff, das Dach, auf dem kleine weiße Sterne funkeln und der Artisteneingang, verziert mit Goldornamenten. All die Dinge, die den leicht verfallenen Charme längst vergangener Zeiten ausstrahlen, machen den Circus Montana zu dem, was Zirkus früher einmal war. Etwas Skurriles, Exzentrisches, ein Gegenentwurf zur glatten Fassade der Bürgerlichkeit.

Shannon beeindruckt mit Akrobatik im funkelnden Halbmond, einem Zirkus- Erbstück ihrer Familie. (Foto: Johannes Simon)

Das spiegelt sich auch in den einzelnen Nummern wider. Zwei Männer betreten die Manege. Sie tragen ein merkwürdiges Konstrukt, das an ein Klettergerüst erinnert. Dort, wo man schnöde Metallsprossen erwarten würde, hängen riesige Säbel. Ganz klar, als nächstes muss der Messerwerfer an der Reihe sein, mag der findige Zirkuskenner denken. Aber weit gefehlt. Drei dunkelhaarige Amazonen betreten den Ring und wirbeln brennende Fackeln durch die Lüfte. Die Spannung steigt, dann treten zwei Männer aus dem Dunkel. Die Feuershow der Black Tigers hat begonnen. Wer sich wundert, was die Säbel in der Feuershow verloren haben - natürlich, sie werden in Brand gesetzt, während einer der Feuerspucker mit blanken Füßen über die Klingen balanciert. Am höchsten Punkt angelangt, hält er seine Fackel empor, holt tief Luft und speit eine heiße, flammende Wolke in die Manege. Eine der Amazonen schnappt sich einen brennenden Reifen und lässt ihn als Hula-Hoop um ihre Hüften kreisen, der Feuerschlucker jongliert mit brennenden Bällen und eine zweite Amazone jongliert mit einem flammenden Metallquader. Das ganze so skurril und fesselnd, dass man fast die dritte Kriegerin aus den Augen verliert, die sich ein Flasche Brennspiritus schnappt und die Flüssigkeit in einem Kreis auf den Boden spritzt. Plötzlich flammt der Kreis auf, während einer der Feuerschlucker seine Fackeln durch die Luft tanzen lässt. Die Hitze des Feuers schlägt dem Publikum ins Gesicht, fast schon bedenklich für die Augenbrauen, aber verdammt cool.

Nicht weniger beeindruckend ist Daniel, in der Zirkuswelt besser bekannt als "Der Mann mit dem eisernen Kinn", der sieben Stühle auf einmal auf seinem Kinn balancieren kann, oder Charline Frank an den Schlaufentüchern. Die Artistin schlängelt sich mit der Biegsamkeit einer Schlange und der Geschmeidigkeit einer Katze an den Tüchern empor, dreht und windet sich in der Höhe, lässt ihren Körper in die Tiefe schnellen und fängt sich scheinbar in letzter Sekunde mit exzellenter Körperbeherrschung in den Seilen. Aufregung pur, die sich auch durch den Seiltanz von Michelle zieht, die das Publikum bei jeder Drehung, jedem Sprung und Spagat in gespannter Nervosität die Luft anhalten lässt. Als der letzte Vorhang fällt, bleibt fast ein bisschen Wehmut zurück. Die Realität außerhalb des Zeltes nimmt die Besucher grau in grau in Empfang.

Die zwei jüngsten Mitglieder begeistern als Clowns vor allem die Kinder. (Foto: Johannes Simon)

Weitere Vorstellungen finden am Samstag um 15 und 18 Uhr sowie am Sonntag und Montag um 15 Uhr statt. Bei den Familien-Vorstellungen am Samstag um 18 Uhr und am Montag um 15 Uhr kostet der Eintritt für Rang und Sperrsitze nur 10 Euro und für Logenplätze 15 Euro.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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