Fürstenfeldbruck:Im Sog der Großstadt

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In den nächsten 20 Jahren wird die Bevölkerung im Landkreis um elf Prozent zunehmen - so viel, wie die Stadt Puchheim Einwohner hat. Das wird Folgen haben für Infrastruktur, Wohnen, Gewerbe

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Wenn die Zahlen erst einmal fünfstellig sind, sind runde Jubiläen nicht mehr so häufig. Insofern war das Jahr 2011 gleich für zwei Städte im Landkreis von Bedeutung, weil sie beide eine neue Marke übersprangen. In Olching sorgte die Geburt des Mädchens Amelie dafür, dass die Stadt fortan mehr als 25 000 Einwohner hatte, und Puchheim überschritt die 20 000-Einwohner-Marke durch den Zuzug des Ehepaares Mayer. Die Mayers kamen damals ausgerechnet aus Olching, was man dort aber verschmerzen konnte, denn in Olching hält das Bevölkerungswachstum unvermindert an.

Im Jahrzehnt zwischen 1999 und 2009 war Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck diejenige Kommune, die den Zuzüglern am attraktivsten erschien: Mehr als 2300 Bürger zogen in dieser Zeit nach Olching, die Stadt hat heute etwa zehn Prozent mehr Einwohner als zur Jahrtausendwende und 25 Prozent mehr als vor 25 Jahren. Und das Neubaugebiet Schwaigfeld ist noch nicht mal vollständig bebaut.

Mehr als 207 000 Menschen leben jetzt im Landkreis. Im Jahr 2006 hatte er erstmals die 200 000-er-Marke überschritten. Die gewaltigsten Zuwächse fanden in den Sechziger- und Siebzigerjahren statt, als immer mehr Menschen aufs Land zogen und drei neue S-Bahn-Linien im Landkreis den Kontakt zur Großstadt München verbesserten. Binnen zehn Jahren wuchs die 1960 etwa 81 000 Menschen zählende Landkreisbevölkerung um die Hälfte, im Jahrzehnt bis 1980 um weitere 38 Prozent.

Da nimmt sich ein Zuwachs von sechs Prozent in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends vergleichsweise bescheiden aus. Bis 2032 erwartet das Bayerische Landesamt für Statistik knapp 228 000 Menschen im Brucker Land, das sind mehr als 20 000 Einwohner mehr als jetzt - also eine Stadt in der Größenordnung von Puchheim.

Der Zuwachs in den nächsten 20 Jahren wird 11,1 Prozent betragen. Die Folgen werden die Kommunalpolitiker vor Herausforderungen stellen. Was die Neubürger sich wünschten, ist für Gottfried Obermair, der für die Freien Wähler im Kreistag sitzt, freilich schon jetzt klar. "Die wollen einen Bauplatz und einen Arbeitsplatz, den sie mit dem Fahrrad erreichen können", sagte er kürzlich in einem Ausschuss des Kreistags. Mit dem Andrang freilich werden die Preise steigen. Schon jetzt ist Wohnen im Landkreis teuer. Zur Gründung einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft oder -genossenschaft, um jenen zu helfen, die die Mieten auf dem freien Markt nicht bezahlen können, konnte sich der Landkreis jedoch bislang nicht durchringen. Auch nicht zu einer von den Sozialdemokraten im Kreistag beantragten Aufforderung an die Bayerische Staatsregierung, den Kreis Fürstenfeldbruck als "Gebiet mit nachgewiesenem angespannten Wohnungsmarkt anzuerkennen". Das werde "eines der drängendsten Probleme der nächsten Jahre", sagt Michael Schrodi, Kreisrat und Kreisvorsitzender der SPD. Er prophezeit, dass "auch der westliche Landkreis den Zuzug im Ballungsraum zu spüren bekommen wird".

Noch ist der Westen mit seinen kleinen Gemeinden dünner besiedelt und ländlich geprägt, während der Osten des Landkreises mit seiner städtischen Struktur und den großen Kommunen nahtlos an den Münchner Westen anschließt. In der Großen Kreisstadt Fürstenfeldbruck wird auf dem Fliegerhorst von 2019 an vermutlich ein ganz neuer Stadtteil entstehen. Auch die Infrastruktur muss an das Bevölkerungswachstum angepasst werden: Kitaplätze, Schulen, Arbeitsplätze.

Landrat Thomas Karmasin nennt Fürstenfeldbruck einen "Wohnlandkreis", in dem die Menschen vor allem wohnen und keinen Ruhestörungen durch Gewerbeansiedlungen ausgesetzt sein wollen. Fehlt Gewerbe, dann fehlen aber auch Steuereinnahmen für die Kommunen und Arbeitsplätze für die Bewohner. Mehr als 33 000 Menschen pendeln täglich aus dem Landkreis zur Arbeit nach München, nur 5800 kommen aus München in den Landkreis.

Eine Änderung aber zeichnet sich ab. Auch im Landkreis entstehen neue Gewerbegebiete, große wie an der B 471 bei Geiselbullach oder im Norden von Germering. Auch kleinere Orte wollen ihren Anteil an der Gewerbesteuer haben: Die 4500-Einwohner-Gemeinde Mammendorf hat mehrere Gewerbegebiete und Moorenweis (3800 Einwohner) beinahe an jedem Ortsausgang einen kleinen Gewerbepark platziert. Auch die Bewohner von Landsberied und Schöngeising sprachen sich bei Bürgerentscheiden für die Ansiedlung von Firmen aus.

Zu viel Fläche geht dabei verloren, sagen Kritiker. Mit einem Pilotprojekt zum Flächenmanagement wollte der Landkreis 2006 seine Städte und Gemeinden dazu bringen, sich gemeinsam darauf zu verständigen, zuvorderst Baulücken zu schließen und nicht mehr genutzte Flächen in ihren Ortskernen zu bebauen anstatt neue Wohn- und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese auszuweisen. Doch das Vorhaben scheiterte. Es komme auf die Mischung an, hat Kreisbaumeisterin Reinlinde Leitz vor einiger Zeit in einem SZ-Interview gesagt. Zwar habe die Verdichtung im Innenbereich Priorität, sagte sie, "auch wenn es nicht ganz ohne Neubaugebiete gehen wird". Mit der Verdichtung dürfe man es aber auch nicht übertreiben: "Man sollte nicht den letzten Dorfanger oder jede Obstwiese bebauen."

Doch jede Kommune denkt zunächst an sich selbst. Das hat der Landkreis beim Thema Windkraftplanung erleben müssen. Althegnenberg und Moorenweis haben sich gleich ausgeklinkt und auch unter den übrigen Kommunen ist ein gemeinsamer Plan über Vorrangflächen für Windkraftanlagen nicht zustande gekommen. Der Wunsch nach verbesserter interkommunaler Zusammenarbeit wurde vor anderthalb Jahren auch in das Leitbild des Landkreises aufgenommen. Eine direkte Verpflichtung zum Handeln ergibt sich aus den Leitsätzen freilich nicht. Auch die Debatte um den Flächenverbrauch findet sich nicht explizit im Leitbild wieder. Lediglich die "Erarbeitung eines Gesamtkonzepts zur Flächennutzung" wird dort als eines der Ziele der Kreispolitik genannt.

© SZ vom 02.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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