Beratung bei mangelnder Liquidität:Erdrückende Schulden

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Während die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen sinkt, können immer mehr Menschen im Landkreis ihre privaten Rechnungen nicht mehr bezahlen und suchen die Beratung der Caritas auf

Von Kevin Schrein, Fürstenfeldbruck

Kontaktiert ein Unternehmer Markus Libera, hat er Probleme. Es geht dann oft um alles, um Löhne, nicht bezahlte Lieferanten, das Überleben der Firma. Libera ist Anwalt für Insolvenzrecht mit Kanzlei in Germering. Er berät Mandanten bei drohender Insolvenz und Zwangsvollstreckung und steht mit ihnen Gerichtsverfahren durch. Sein Spezialgebiet sind Unternehmen. Und die suchen seit ein paar Jahren immer häufiger Liberas Rat. "Die Insolvenzanträge sind meinem Gefühl nach in Bruck nicht gestiegen, aber die Unternehmen suchen lieber früher als später Rat", sagt Libera. Er glaubt: Das Thema Insolvenz ist in der Gesellschaft kein Tabu mehr.

Liberas Gefühl trügt ihn nicht. Laut dem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung ist im Verwaltungsbezirk Fürstenfeldbruck die Zahl der Insolvenzverfahren im ersten Halbjahr 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht um drei Prozent auf 96 gesunken - Verbraucher, ehemals Selbständige und Unternehmen zusammengenommen. Der Landkreis folgt mit diesen Ergebnissen der Lage im Freistaat. Auch in Bayern ist die Zahl der Insolvenzen gesunken. Vor allem bei den Unternehmen im Landkreis ist der Rückgang deutlich. Dort sank die Zahl der Fälle von 21 auf 13 und damit um fast 40 Prozent. Auch die Zahl der Insolvenzen bei den ehemals Selbständigen fiel um knapp sechs Prozent auf 27 Verfahren. Auf Seite der Privatpersonen stieg die Zahl der Verfahren hingegen um acht Prozent auf 53.

Heidi Schaitl leitet die Caritas-Schuldnerberatung im Landkreis . Zu der Sozialarbeiterin kommen Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Den leichten Anstieg der Verbraucherinsolvenzen hat auch sie bemerkt. Deutlich angestiegen sei jedoch die Zahl der Menschen, die Probleme haben, ihre Schulden zu begleichen, aber noch keinen Insolvenzantrag stellen. "Da es keine Insolvenzantragspflicht für Verbraucher gibt, ist die Anzahl der Anträge alleine nicht aussagekräftig. Die steigende Nachfrage hingegen ist ein verlässlicherer Indikator dafür, dass die Zahl der überschuldeten Haushalte im Landkreis steigt", sagt sie.

Beriet die Caritas zur Jahrtausendwende noch 379 Klienten, hat sich die Zahl inzwischen verdoppelt. Einen deutlichen Anstieg an Verbraucherinsolvenzanträgen verzeichnete man 2009 und 2010. "Es dauert meist, bis sich Wirtschaftskrisen auf die konkreten Lebensbedingungen der Bevölkerung auswirken", erklärt sie. Zwar sank danach die Zahl der Insolvenzberatungen wieder auf das vorherige Niveau, die Zahl der Haushalte, die sich an die Schuldnerberatung wenden, steigt aber kontinuierlich an. Schaitl beunruhigt das. Die hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere die horrenden Mietpreise im Speckgürtel Münchens würden den Verschuldeten die Situation zusätzlich erschweren, sagt sie. Flachbildfernseher, Glücksspiel: Die Gesellschaft hat laut Schaitl oft einseitige Vorstellungen davon, warum ein Mensch plötzlich um seine Existenz kämpft. Menschen, die ihre Schulden nicht mehr begleichen können, gelten als Versager. Dabei liegt die Ursache oft tiefer. "In unseren Beratungen sind gescheiterte Selbständigkeit und zerbrochene Beziehungen die Hauptgründe für Überschuldung."

Auch Libera kann sich nicht über mangelnde Kundschaft beklagen. Viele Unternehmer lassen sich zunehmend lieber früher als später bei drohender Zahlungsunfähigkeit beraten. Ein Grund dafür ist laut Libera, dass Interessenvertretungen wie die Industrie- und Handelskammern zunehmend über Unternehmenssanierung in ihren Broschüren informierten. Zum anderen habe möglicherweise die Berichterstattung über zivil- und strafrechtliche Haftung von Geschäftsführern in den Medien dazu beigetragen, dass sich Unternehmer noch umfassender gegen die Folgen ihres Handels absichern möchten. "Für den Erfolg von Sanierungsmaßnahmen ist in jedem Fall ein frühzeitiges Handeln entscheidend", appelliert der Anwalt.

Auf der anderen Seite erlebt Libera bei einigen seiner Mandanten mehr und mehr eine "Mentalität wie auf einem Basar". Liquide Mandanten, die ihre Rechnungen zahlen könnten, melden sich bei ihm im Büro. "Sie wissen, dass sie zahlen müssen und auch können, fordern aber, dass ich für sie da noch etwas raushole." Für manche Unternehmer, sagt Libera, haben Verträge nicht mehr den Stellenwert eines bindenden Dokuments.

© SZ vom 24.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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