Bürgermeister:Eine Neuwahl ist kein Tabuthema mehr

Lesezeit: 3 min

Seit neun Monaten ist Fürstenfeldbrucks Oberbürgermeister im Krankenstand. Nun steigt im Stadtrat das Unbehagen. (Foto: Günther Reger)

Seit neun Monaten ist Fürstenfeldbrucks Oberbürgermeister im Krankenstand. Ob Klaus Pleil ins Amt zurückkehrt, ist ungewiss. Nun steigt im Stadtrat das Unbehagen, die ersten Forderungen nach einer Entscheidung Ende August werden laut

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Brucker Stadtrat macht sich Unbehagen über die lange Abwesenheit von Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) breit. Mehrere Stadträte fordern eine Entscheidung nach der Sommerpause. Hinter den Kulissen wird über Neuwahlen spekuliert. Die Arbeit seiner Stellvertreter Erich Raff (CSU) und Karin Geißler (Grüne) wird zwar gelobt, allerdings klagen politische Gegner, dass Zweiter Bürgermeister Raff zunehmend eine CSU-Linie fahre. "Die Situation muss geklärt werden", sagt CSU-Stadtrat Herwig Bahner. Nach einem Jahr Abwesenheit sollte die Kommunalaufsicht überlegen, ob es in einer großen Kommune so weiter laufen könne, findet der SPD-Fraktionsvorsitzende Philipp Heimerl.

Das Thema ist heikel. Einerseits mag keiner den beliebten Rathauschef, der im August einen schweren Herzinfarkt erlitten hat, irgendwie drängen. Alle gönnen ihm die Zeit zur vollständigen Genesung. Offiziell war Pleil bis 31. Mai krankgeschrieben, jetzt gibt es die nächste Verlängerung, sagt Raff am Freitag. Derzeit absolviert Pleil eine weitere Rehabilitation, die noch sechs Wochen dauern werde, berichtet seine Frau Claudia. Unlängst hatte Pleil auch ein weiteres Gespräch mit dem Amtsarzt. Andererseits drängt sich nach bald einem Jahr Absenz die Frage auf, wie es weitergehen soll, zumal mehrfach ein Termin für Pleils Rückkehr angekündigt und wieder verschoben wurde. "Wir sagen nichts zu Terminen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er so schnell zurückkehrt", sagt BBV-Fraktionschef Klaus Quinten. Keiner mag eine Frist setzen, schon um nicht als "Königsmörder" dazustehen, wie Klaus Wollenberg (FDP) es nennt, aber einige fordern Klarheit nach der Sommerpause. "Raff und Geißler machen die Arbeit gut, aber es ist eben Vertretung. Eigentlich muss der gewählte Oberbürgermeister die Richtlinien bestimmen", sagt Bahner, ehemals Fraktionschef der CSU. Er hält auch nichts von einem schrittweisen Wiedereinstieg Pleils. "Job-Sharing funktioniert in dem Amt nicht", sagt er.

Je länger sich die Abwesenheit hinzieht, desto schwieriger wird es. Dritte Bürgermeisterin Geißler muss immer wieder unbezahlten Urlaub nehmen. "Das löst in der Firma keine Begeisterungsstürme aus." Es fehlt die politische Führung durch den gewählten Rathauschef. "Es bleibt nicht aus, dass sich die CSU-Linie verstärkt", stellt Geißler fest. "Vor fünf Monaten war die Vertretung einvernehmlich und im Sinne von Pleil, aber jetzt verfolgt jeder immer mehr seine Linie", sagt Bahner. Das zeigt sich bei Themen wie dem Lichtspielhaus, der Umfahrung Brucks oder dem Viehmarktplatz. Bei der Haushaltsdebatte stimmte Raff gegen das Zahlenwerk. "Die Frage ist, wer ist verantwortlich", sagt Bahner. Kulturreferent Wollenberg hatte zu Beginn der Haushaltsberatung gefragt, wessen Handschrift das Zahlenwerk eigentlich trage.

"Die Situation ist unbefriedigend, weil vieles liegen bleibt. Spätestens nach der Sommerpause muss das geklärt werden", fordert Wollenberg ähnlich wie Heimerl. "Ohne gewählten OB fehlt die Person, die das Rathaus leiten soll, und Projekte bleiben liegen", klagt der SPD-Fraktionsvorsitzende. Rein rechtlich kann ein Bürgermeister unbegrenzte Zeit fehlen, allerdings solle das Landratsamt prüfen, wie lange ein solcher Zustand vertretbar sei, sagt Heimerl. Ende August muss über die weiteren Aussichten gesprochen werden, verlangt Georg Stockinger (FW). So würde er das als Unternehmer bei erkrankten Mitarbeitern halten. "Pleil geht uns wirklich ab", sagt er. Raff und der CSU-Fraktionschef Andreas Lohde widersprechen dem Eindruck, dass Projekte liegen bleiben würden. "Alles wird vorangetrieben", sagt Raff und verweist auf einschlägige Beschlüsse der Gremien. Der Zweite Bürgermeister erinnert daran, dass der Landrat von Ebersberg sogar zwei Jahre gefehlt habe.

In allen Fraktionen wird über Plan B, eine Neuwahl, diskutiert, zumindest informell. "Es wäre gelogen, wenn wir nicht an so was denken würden", sagt Quinten. Es gebe keine konkreten Vorbereitungen, aber Überlegungen "in einzelnen Köpfen", berichtet Bahner aus der CSU. Dagegen dementieren Lohde und Raff kategorisch, dass das schon Thema sei. "Personalgeschichten stehen momentan nicht zur Debatte", sagt Lohde. Damit bewegt sich das Thema im Bereich der Taktik. Lohde hat 2014 gegen Pleil verloren, wäre dennoch ein Kandidat von mehreren in der CSU und ist betont zurückhaltend. Raff selber käme in Frage, will aber nicht. Geißler versichert, dass die Grünen hinter Pleil stünden. "Solange die Chance besteht, dass er gesund wird, hat er unsere Unterstützung. Wir machen uns keine Gedanken über eine Neuwahl." Zumal Grüne und BBV derzeit keinen Kandidaten haben, dem sie zutrauen, das Rathaus zu erobern. Die SPD muss nach ihrem Desaster vor zwei Jahren erst jemanden aufbauen. Es läuft auf Heimerl zu, der aber so jung ist, dass er noch Zeit bräuchte. "Es besteht die Gefahr, dass jemand OB wird, den wir nicht wollen", sagt Geißler.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: