Protest:Demo gegen entfesselten Freihandel

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Bürgerinitiativen, Gewerkschafter und Bauern wollen am Samstag in Bruck gegen das geplante Abkommen zwischen EU und USA protestieren. OB Pleil, Grüne und ÖDP fürchten um die kommunale Daseinsvorsorge

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Landkreis formiert sich Protest gegen das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA. Gruppen wie das Sozialforum Amper, Gewerkschafter, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und politische Parteien rufen zu einer Demo am Samstag in der Brucker Innenstadt auf. Die Stadt- und Gemeinderäte von Bruck und Eichenau diskutieren demnächst über Resolutionen gegen das TTIP. Der Gemeinderat von Grafrath hat sich bereits gegen den Vertrag ausgesprochen. "Es ist wichtig, dass sich die Bürger dagegen wehren", sagt der Brucker Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV).

In Grafrath waren die Grünen die Initiatoren, in Bruck hat Dieter Kreis (ÖDP) den Antrag im Stadtrat eingebracht. Die Bürgermeister werden darin aufgefordert, beim Städte- und Gemeindetag gegen das Abkommen zu protestieren und bei der Bundesregierung sowie der EU-Kommission zu intervenieren. Zur Begründung heißt es, das Freihandelsabkommen gefährde die Entscheidungsfreiheit der Kommunen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Pakt könnte die Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erleichtern und Bestrebungen zur Rekommunalisierung der Energieversorgung aushebeln.

Betroffen von Privatisierungen wären auch der öffentliche Dienstleistungssektor wie Bau, Transport und Gesundheit sowie das Beschaffungswesen. Im Bereich der Dienstleistungen dürften "unsere mittelständischen Unternehmen nicht mehr bevorzugt werden", heißt es in den Brucker und Grafrather Anträgen.

Die Kritiker stören sich insbesondere an zwei Passagen im geplanten Abkommen: eine Stillstands- und eine Ratchetklausel, die dazu führen würden, dass ein Wasserwerk, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden dürfte. Auf Ablehnung stößt auch ein Sonderklagerecht, mit dem Konzerne demokratisch beschlossene Gesetze aushebeln könnten. "Auch die Beschlüsse von Städten und Gemeinden könnten Anlass für solche Klagen sein", schreibt Kreis in seinem Antrag. Das würde dazu führen, dass sich Stadt- und Gemeinderäte "in vorauseilendem Gehorsam" bei jedem Beschluss überlegen, ob die Gewinnerwartungen eines Konzerns geschmälert würden und dieser damit Grund zu einer Klage habe.

Das Trinkwasser soll nicht zum Spielball der Konzerne werden. Bereits vor einem Jahr hatten viele Menschen eine EU-weite Resolution unterzeichnet. (Foto: dpa)

Die TTIP-Gegner können sich auf den Deutschen Städtetag berufen, dessen Hauptausschuss im Februar ebenfalls starke Vorbehalte gegen das Freihandelsabkommen geäußert hatte. Zwar hat sich der Verband ähnlich wie der DGB im Prinzip für TTIP ausgesprochen, verlangt jedoch erhebliche Korrekturen und kritisiert insbesondere die nicht transparente und undemokratische Verhandlungsführung. Die Rechte der gewählten Parlamentarier, von der kommunalen bis zur europäischen Ebene, würden erheblich vernachlässigt, heißt es in dem Papier. Nach Angaben des Städtetages könnten europäische Unternehmen aus dem TTIP einen Profit von insgesamt jährlich fast 120 Milliarden Euro ziehen, amerikanische Firmen kämen auf knapp 95 Milliarden.

Der Städtetag fordert von der Bundesregierung die Ausklammerung der kommunalen Daseinsvorsorge aus dem Freihandelsabkommen "und allen weiteren Handelsabkommen". Dabei ginge es insbesondere um die nicht liberalisierten Bereiche Wasser, Abfall, öffentlicher Personennahverkehr sowie Soziales und Kultur. Eine sogenannte Marktzugangsverpflichtung im TTIP könnte die Kontrolle der Kommunen über solche Bereiche auflösen. Die öffentliche Wasserwirtschaft dürfe ebenso wie öffentliche Theater, Museen und Bibliotheken nicht angetastet werden. Ähnlich wie die Politiker aus Bruck und Grafrath warnt der Städtetag vor Investitionsschutzklauseln, die die Gestaltungsfreiheit der Kommunen einschränken könnten, weil Unternehmen Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten auf entgangene Gewinne verklagen könnten. Die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit und Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge dürfe aber "nicht angetastet werden".

Auf der Demonstration am Samstag in Fürstenfeldbruck wollen die Organisatoren Unterschriften gegen das TTIP sowie zwei weitere Handelsabkommen sammeln. Eine europaweite Bürgerinitiative will mehr als eine Million Unterschriften sammeln. Die Protestaktion in Bruck beginnt um 10 Uhr vor dem Alten Rathaus in der Hauptstraße. Bei der Abschlusskundgebung werden der Betriebsrat Herbert Markus als Vertreter des DGB-Kreisverbands, Gudrun Hanuschke-Ende von der Initiative Zivilcourage gegen Agrogentechnik und dem Bund Naturschutz sowie der Bauer Hans Zacherl für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sprechen. Der Brucker Oberbürgermeister wird die Teilnehmer begrüßen. Er freue sich, dass in der Stadt gegen ein Vorhaben demonstriert werde, das er für falsch halte, sagte Pleil der SZ. Der OB unterstützt auch den Antrag an den Stadtrat.

© SZ vom 10.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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