Gerichtsurteil:Bewährungsstrafen für brutale Schläger

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Schöffengericht verurteilt 18- und 29-Jährigen, weil sie einen Freund geschlagen und getreten haben

"Rohheit in ihrer pursten Form", findet die Staatsanwältin, hat zwei 18 und 29 Jahre alte Brucker veranlasst, einen Bekannten derart zu verprügeln, zu treten und ihn schließlich auf die Straße zu legen, dass die Staatsanwaltschaft sogar wegen versuchter Tötung ermittelt hatte. Am Mittwoch nun sitzen der jüngere Arbeitslose und sein elf Jahre älterer Kumpel, ein selbständiger Paketfahrer, wegen gefährlicher Körperverletzung in Mittäterschaft vor dem Jugendschöffengericht. Das befindet beide für schuldig und verhängt jeweils eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Es ist der Abend des 14. April. Die beiden Angeklagten und ihr damals 18 Jahre altes Opfer treffen sich auf dem AEZ-Parkplatz in der Heimstättenstraße. Die Angeklagten haben getrunken, beim Jüngeren zeigt ein Alkomat später 0,94, beim anderen 2,2 Promille an. Zwischen dem damals 17 Jahre alten Angeklagten und dem späteren Opfer gibt es zunächst ein Geplänkel, scherzhafte Beleidigungen am Rand zur Provokation. Der 18-Jährige, ein begeisterter American-Football-Spieler, nimmt den 17-Jährigen immer wieder in den Schwitzkasten, obwohl der das nicht will. Als der 18-Jährige sein T-Shirt auszieht - was allgemein im Gerichtssaal als Signal zum Kampfbeginn gewertet wird - wird die Flachserei ernst. Wie der jüngere Angeklagte vor Gericht von Anfang an gesteht, hat er dem anderen mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Auch auf ihn eingetreten, als dieser am Boden lag, und ihm einmal ins Gesicht getreten. Der elf Jahre ältere Mitangeklagte ist sich hingegen keiner Schuld bewusst. Er habe seinerzeit "Hochprozentiges" getrunken, weil er sich in einer schwierigen Phase - Arbeit und Freundin verloren - befunden habe. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich zugeschlagen habe", erklärt er mit Verweis auf sein leeres Strafregister und einen Nervenzusammenbruch, den er damals gehabt habe. Er habe sich in seinem Leben "noch nie richtig geschlägert", außerdem habe er damals einen Nervenzusammenbruch erlitten und Selbstmordgedanken gehegt.

Was die Angeklagten in der Hitze des Gerangels offenbar überhaupt nicht mitbekommen hatten: In unmittelbarer Nähe des AEZ ist eine Tankstelle. Dort hielt ein mit vier jungen Leuten besetztes Auto. Die Insassen hatten im Vorbeifahren die Schlägerei gesehen und beschlossen anzuhalten und zu helfen. "Weil uns das so brutal vorkam, haben wir die Polizei gerufen", erinnert sich eine 18-Jährige. Aussteigen habe man sich aber nicht getraut. Die junge Frau und ihre Freunde berichten, dass zwei Männer auf einen einschlugen, während der teils am Boden kniete, teils lag. Dann habe sich die Auseinandersetzung immer näher zur Straße verlagert. Die Übereinstimmung der vier Zeugen endet bei der Frage, wie weit auf der Fahrbahn der Geschädigte lag, als sich ein Linienbus näherte. Die einen meinen, er sei komplett auf der Fahrbahn gelegen, die andern glauben nur zur Hälfte. Entscheidender ist an dem Punkt aber, dass alle den Eindruck hatten, die Bewegung zur Straße geschah im Eifer des Gefechts, nicht mit der Absicht, ihr Opfer bewusst der Gefahr auszusetzen von einem Auto überrollt zu werden. Sehr entlastend, um nicht zu sagen verwunderlich, ist dann auch die Aussage des Geschädigten, der keinen Strafantrag stellen wollte und mit dem 29-Jährigen nach wie vor befreundet ist. "Der Jüngere hat ein paar Mal getreten, der Ältere hat nichts gemacht", versichert der heute 19-Jährige. Überdies betont er, außer einer gebrochenen Nase kaum Verletzungen gehabt zu haben.

Das überzeugt die Staatsanwältin nicht, die die vier unbeteiligten Zeugen als absolut glaubwürdig einstuft. "Ich finde, es ist fast noch mehr passiert, als in der Anklage steht", lautet ihr Resümee. Sie beantragt für beide je zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe, da beide gemeinsam den anderen traktiert haben. "Was bei allen Zeugenaussagen herauskommt, ist die Hilflosigkeit des Opfers. Er hatte keine Chance." Auch die Verteidigung, die aufgrund der Zeugenaussagen ebenfalls von einer Beteiligung des Älteren ausgeht, beantragt Haftstrafen, jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Dem folgt das Schöffengericht unter Anna Kappenschneiders Vorsitz. Als Auflage müssen beide je zehn Tage gemeinnützige Arbeit leisten, zudem darf der nach Jugendstrafrecht verurteilte 18-Jährige ein Jahr keinen Alkohol trinken und bekommt einen Betreuer.

© SZ vom 22.01.2015 / alin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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