Flüchtlingsschicksal:Zum Nichtstun verurteilt

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Hamza Rian sei gut integriert und wäre sicherlich ein guter Koch geworden, sagt seine Betreuerin. Doch vorerst kann der 19-jährige Pakistani in seiner Brucker Unterkunft nur abwarten, ob die Gerichte ihm nicht doch noch Asyl und damit Bleibe- und Arbeitsrecht zugestehen. (Foto: Johannes Simon)

Hamza Rian hätte eine Kochlehre beginnen können. Doch sein Asylantrag wurde abgelehnt. Und damit versagt das Landratsamt dem Pakistani auch eine Arbeitserlaubnis. Nun hofft der 19-Jährige, dass seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Erfolg hat und er nicht abgeschoben wird

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Hamza Rian wollte gerne Koch werden, doch die Ausländerbehörde im Brucker Landratsamt hatte etwas dagegen. Sie lehnte die Arbeitserlaubnis für den 19-jährigen Pakistani ab. Rian war im Juni 2015 nach Deutschland gekommen und hatte um Asyl nachgesucht. Sein Asylantrag ist abgelehnt worden. Rian klagt gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF); ein Gerichtstermin ist noch nicht angesetzt worden. Nach dem Arbeitsverbot ist der Jugendliche nach Fürstenfeldbruck verlegt worden.

"Ich würde gerne einen Beruf lernen, um etwas für die Zukunft zu haben", erzählt Rian spürbar enttäuscht. Er hatte eine Gaststätte in München gefunden, die ihn gerne als Koch ausgebildet hätte. "Die waren sehr nett", sagt er "und haben mir die Ausbildungsstelle sogar vier Monate lang reserviert". Dass die Ausländerbehörde vier Monate gebraucht habe, um seinen Antrag auf eine Arbeitserlaubnis zu entscheiden, findet Rian eine "blöde Sache". Andreas Buchner vom Landratsamt hält drei bis vier Monate gegenüber SZ für eine "relativ vertretbare Wartezeit" bei etwa 2000 Asylbewerbern, die das Amt zu betreuen habe.

Buchner, Abteilungsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung und auch zuständig für die Asylkoordination, versichert, dass es sich die Ausländerbehörde bei Anträgen auf Arbeitserlaubnis von Asylbewerbern grundsätzlich nicht leicht mache. "Auch wenn wir der Meinung sind, der Antrag muss abgelehnt werden, verschicken wir auch noch einmal einen Anhörungsbogen", so Buchner. Das sei auch im Fall von Hamza Rian geschehen. Da konnte er noch einmal Gründe und Argumente darlegen, die seinen Antrag stützten. Die hätten dann aber nicht ausgereicht. Doch im Falle des jungen Pakistani greife laut Buchner zudem eine gängige Praxis der Behörden: "Wenn ein Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, bekommt in der Regel niemand eine Arbeitserlaubnis." Es komme da folgender Rechtsgrundsatz zum Tragen: "Ein unsicherer Aufenthaltsstatus darf nicht verfestigt werden."

Bisher lebte Hamza Rian in Gernlinden und hatte einen guten Kontakt zur dortigen Asylhelferkreis, besonders zu Angelika Wildenauer. Sie ist entsetzt über die Entscheidung der Brucker Ausländerbehörde. "Hamza ist gut integriert und wäre sicherlich ein guter Koch geworden." Wildenauer war der Junge im November 2015 aufgefallen, als sie in der Gernlindener Flüchtlingsunterkunft Deutsch und Mathe unterrichtete. "Er ist besonders in Mathe sehr begabt ist", sagt sie. Im September 2016 klappte es mit dem Gastplatz an der Gröbenzeller Waldorfschule, um den sich Wildenauer bemüht hatte. Hamza besuchte dort die elfte Klasse. Seine Mitschüler stellten eine Petition gegen seine Abschiebung ins Internet und sammelten damals über 7 000 Unterschriften.

Nach einem Jahr in der Waldorfschule wollte Hamza einen Beruf lernen. Seine mögliche Abschiebung nach Pakistan wäre nicht einfach. Pakistan will keine abgelehnten Flüchtlinge aus EU-Staaten zurücknehmen. Rian hatte dem BAMF erzählt, dass die Taliban, die auch in Pakistan operieren, ihn rekrutieren wollten. Zwei Wochen war er bereits als 15/16-Jähriger in ihrem Trainingslager. Das Umgehen mit Waffen gefiel ihm nicht und er fasste einen Fluchtplan. "Die Taliban holen immer die ältesten Söhne aus den Häusern, um sie als Kämpfer zu missbrauchen", so Wildenauer und drohen den Eltern, wenn diese sich weigern. Hamzas Flucht begann im Februar 2015 und dauerte vier Monate.

Diese Geschichte überzeugte den Sachbearbeiter beim BAMF jedoch nicht. Sein Asylantrag wurde im Januar 2017 ablehnt. Sein Rechtsanwalt Stefan Dornow aus Tutzing klagt gegen den Ablehnungsbescheid. Er vertritt mehrere hundert Asylbewerber. Ein Verhandlungstermin beim überlasteten Münchner Verwaltungsgericht ist wie in den meisten Fällen seiner Mandanten noch nicht anberaumt. Bis eine Entscheidung gefallen ist, darf Hamza Rian nicht abgeschoben werden. Seine Chancen vor Gericht sind offenbar jedoch nicht allzu rosig. "Die Anerkennungsquote beträgt für Pakistani vier Prozent", erläutert Andreas Buchner die Statistik. Ähnlich sei die Quote für Afrikaner aus Nigeria. Für Flüchtlinge aus Afghanistan betrage sie 40 Prozent, für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak liege sie noch darüber.

Hamza Rian, der passabel Deutsch spricht, hilft das wenig. Er ist von der Asylbewerberunterkunft in Gernlinden in die Containeranlage am Hartanger in Fürstenfeldbruck verlegt worden. Dort ist er zum Nichtstun verurteilt. "Ich weiß nicht, was ich machen soll und wie es weitergeht", sagt er. Alles erscheine ihm momentan sinnlos. Er setzt noch Hoffnung auf eine positive Gerichtsentscheidung. Kommt die nicht, gäbe es eine Chance für ein Berufungsverfahren, so Anwalt Dornow. Die wird jedoch nicht in jedem Fall eingeräumt. Ist ein Asylbewerber ausreisepflichtig, erfolgt durch das Landratsamt die Aufforderung zur freiwilligen Ausreise binnen 30 Tagen. Das Brucker Amt ist unter anderen für Flüchtlinge aus Pakistan zuständig; für andere Länder die Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern in München. Danach geht ein sogenannter "Schubauftrag" an die Landespolizei München, die unter anderen in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei die Abschiebung übernimmt. Das bedeutet die Buchung eines Fluges, die Abholung von der Unterkunft und die Begleitung ins Flugzeug. Viele Ausreisepflichtige werden vor ihrer Abschiebung in die zentrale Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE) nach Manching verlegt. Noch ist das für Hamza Rian nicht aktuell, doch sein Berufsweg als Koch ist erst einmal gestoppt.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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