Finale:Verschnaufpause für das politische Kabarett

Lesezeit: 2 min

Beim diesjährigen Paulaner-Solo-Wettbewerb gewinnen eine Stand-Up-Komikerin und ein Sänger, schwere Themen finden sich dabei nicht. Die Besucher werden dennoch bestens unterhalten

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Das politische Kabarett befindet sich gerade auf dem Rückzug. Zumindest legte es beim Paulaner Solo eine Verschnaufpause ein. Aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Stand-up-Comedy und Musikkabarett, das waren die neuen Komponenten für den sehr unterhaltsamen Abend beim diesjährigen Finale des Kabarett-Wettbewerbs im Brucker Veranstaltungsforum. Und genau zwischen diesen beiden unterschiedlichen Genres fiel die Entscheidung um den Sieg.

Die Jury gab mit der Auszeichnung der Karnevalsnudel "De Frau Kühne" der Stand-up-Comedy den Vorzug. Das Publikum dagegen war eindeutig auf der Seite von Stefan Leonhardsberger und seinen österreichisch geprägten Songinterpretationen. Der dritte Preis ging an die Vokalgruppe "Vocal Recall", Franziska Wanninger belegte den vierten Platz. Stephan Zinner, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, moderierte lässig und unaufdringlich. Für ihn standen die Kandidaten im Vordergrund. Während der Stimmenauszählung bekam das Publikum eine Kostprobe seines herzhaften, bodenständigen Humors. Egal ob es um die Tücken des Altherrenfußballs ging, um Schulveranstaltungen, durchgeistigt säuselnde Esoteriker oder die experimentelle Küche mit marokkanischem Schweinsbraten - das Publikum hatte seinen Spaß dran.

Für die Entscheidung der Jury waren Kriterien wie Bühnenpräsenz, Originalität, Souveränität und Publikumsresonanz ausschlaggebend. Bei der Bewertung zwischen eiskalt, Stufe eins, und sehr heiß, Stufe sechs, sammelte "De Frau Kühne" offensichtlich die meisten Punkte. Sie setzt sich über ihren, nun ja, sehr barock geratenen Körper, mit viel Selbstironie hinweg. BMI und IQ, ("da kannste nix machen"), seien bei ihr identisch. Kühne lässt die Zuhörer an ihren, jedweder Diät abgeneigten, Essens- und Trinkgewohnheiten teilhaben und an den Erfahrungen mit ihrem pubertierenden Sohn: "zu jung zum Ausziehen, zu alt für die Babyklappe". Die gelungene Kombination aus ihrem niederrheinischem Dialekt und der dazu passenden Schlagfertigkeit produziert pausenlos Gags und Lacher. Allerdings muss man eins anmerken: Eine übergewichtige Frau, die sich selbst auf den Arm nimmt, das ist nicht wirklich neu.

Die angekündigte, "leichte" österreichische Färbung ist natürlich stark untertrieben: Wenn Stephan Leonhardsberger loslegt, dann haben selbst dialekterprobte Zuhörer ein Verständigungsproblem. Aber das ist nicht weiter schlimm. Allein die Performance des aus dem österreichischen Mühlviertel stammenden Vollblutschauspielers und Sängers ist grandios. Die samtweiche Stimme erinnert an Wolfgang Ambros, hat aber das Potenzial sich in kieksige Höhen aufzuschwingen oder rauchige Bluestöne zu produzieren. Sein Partner Martin Schmid ist die kongeniale Ergänzung für schmalzig-triefende Stücke, die plötzlich ins Skurrile abdriften. Bekannte Hits erfahren auf diese Weise eine ganz neue Dimension. Als "Private Dancer" (Original Tina Turner), der "voll im Öl" steht, kurz sturzbetrunken ist, tanzt der dunkelhaarige Schlacks bis der Boden glüht und lotet dabei seine körperlichen Grenzen aus. Den Song "Würstlstand" zelebriert der Sänger als letzte demokratische Institution, "vor der Wurst san ma alle gleich".

"Vocal Recall", das sind Alice Küfer, Dieter Behrens und Bernhard Leube mit ihren voluminösen, gut ausgebildeten Stimmen und Martin Rosengarten am Klavier, Keyboard und den Loops. Das Quartett hat dem Klavierkitsch den Kampf angesagt. "Pour Elise" wird zur leiernden Markise. Der Song, "Ich bin ein Veggie", endet nach einem Ritt durch die sülzige Schlagerlandschaft atemlos in 99 Wurstkartons.

Franziska Wanninger arbeitet sich zunächst an Erbtante Elfriede ab. Dann wirft sie ihre Ausbildung als Schauspielerin in die Waagschale. Wirklich gut ist sie als Bürgermeister von Schneckenheim. Dem gehen Bauvorschriften am Arsch vorbei. Er baggert alles an, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Der volle Macho und Kotzbrocken.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: