Erfolgreiche Filmemacherinnen:High Heels im Kofferraum

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Drei Schülerinnen der Fachoberschule in Fürstenfeldbruck haben einen Kurzfilm mit dem Titel "Tussi Car" gedreht. Bei den Filmtagen der bayerischen Schulen gewannen sie damit den Förderpreis.

Bianca Selder

Der Wecker schrillt bedrohlich in den Ohren. Noch im Halbschlaf versucht eine Frau mit ausgestreckter Hand im Dunkeln das kreischende Signal zum Schweigen zu bringen. Als sie die Augen aufschlägt und sieht, dass sie viel zu spät dran ist, beginnt der Albtraum. Es bleibt keine Zeit mehr, sich vorm Badezimmerspiegel zu schminken, denn sie hat in fünfzehn Minuten einen wichtigen Termin. Die Rettung liegt eigentlich auf der Hand: Man bräuchte ein Auto, in dem man sich problemlos und mit sämtlichem Komfort umziehen und stylen kann.

Tussi Car war ihre Idee (von links): Denise Obersteiner, Daniela Peterknecht und Miriam Hofer im Cabrio. (Foto: Günther Reger)

So zumindest war die Idee der drei Fachoberschülerinnen Denise Obersteiner aus Überacker, Miriam Hofer aus Hechendorf und Daniela Peterknecht aus Gröbenzell. Im Rahmen des Englischunterrichts der elften Klasse der Fachoberschule in Fürstenfeldbruck bietet Lehrerin Maren Dickmann ihren Schülern die Möglichkeit an, sich mit einem selbst erstellten Werbespot, einem Radiobeitrags oder einem Rollenspiel künstlerisch zu entfalten.

"Seit gut zehn Jahren", sagt Dickmann, "gibt es bei uns dieses Unterrichtsprojekt." Dabei seien immer gute Sachen entstanden, die auch technisch ansprechend waren. Dieses Jahr gab es beispielsweise eine Produktion, bei der ein Bär die Menschen tröstet. In einem anderen Beitrag wurden fiktive Pillen angepriesen, die den morgendlichen Kater nach einer durchfeierten Nacht verhindern sollen." Die Fürstenfeldbrucker Pädagogin schätzt es besonders, dass die Schüler ihrer Fantasie freien Lauf lassen können und der Lerneffekt bei den Akteuren von ganz alleine kommt.

Schon im Sommer 2011 begannen die Planungen und Dreharbeiten für den kurzen Filmspot der drei 17 und 18 Jahre alten Fachoberschülerinnen. "Die Grundidee hatten wir ziemlich schnell und sie gefiel uns von Anfang an", sagt Daniela Peterknecht. "Dazu hat auch der pinkfarbene Jogginganzug beigetragen, den Denise bei unserem ersten Treffen getragen hat." Auch der Titel des Films war schnell gefunden: "Tussi Car" sollte das Projekt heißen.

Vom Vorurteil ausgehend, dass Frauen sich am liebsten überall und ohne Komplikationen dem eigenen Aussehen widmen, drapierten die drei jungen Frauen verschiedene Requisiten nach und nach um ihre Vorstellung herum. Dazu gehörte zum Beispiel der Protagonist - das Auto. In diesem Fall war es ein geliehener Smart. Oder auch die Videokamera, die sie sich von einer Bekannten borgten. Zur weiteren Ausstattung gehörte ein Kofferraum voller Schuhe - genauer gesagt High Heels in allen Variationen - sowie ein Fach für Lippenstifte in allen Farben und Texturen.

Zur Hauptdarstellerin wurde Denise Obersteiner auserkoren, ihre Freundinnen agierten hinter der Kamera. Ihr Schlafzimmer war einer der Schauplätze des Films, die Fahrszenen wurden auf einem abgelegenen Feldweg aufgenommen. Die Dreharbeiten nahmen rund zwei bis drei Stunden in Anspruch. Für das Schneiden des Videomaterials investierten die jungen Frauen einige Tage.

Dabei haben sie auch viele Tipps und Kniffe bei der Bearbeitung gelernt. Freunde halfen ihnen bei der technischen Umsetzung. Dabei lernten sie zum Beispiel wie man verschiedene Ebenen übereinander setzt und wie man die Bilder mit einer zur Szenerie passenden, theatralischen Musik unterlegt. Beim Schneiden wurde ihnen allerdings auch bewusst, dass nicht alles umsetzbar war. Ursprünglich wollten sie noch eine Kleiderstange im Auto befestigen, jedoch war dies handwerklich nicht möglich. Diese wurde dann virtuell eingefügt. Nach ungefähr einem Monat war der Film fertig.

Weil das Ergebnis mehr als aussprechend ausfiel, schlug Maren Dickmann vor, den kurzen Spot bei den 35. Filmtagen der bayerischen Schulen in Gerbrunn bei Würzburg ins Rennen zu schicken. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin reisten die drei jungen Frauen Mitte Oktober zu dem Filmfestival. Neben den Filmvorführungen und den Preisverleihungen gab es ein vielfältiges Programm. So konnten die Schülerinnen beispielsweise an einem "Make-up-Workshop" teilnehmen oder sich von dem Journalisten und Filmemacher Christian Stahl die richtigen "Fragetechniken bei einer Filmreportage" erklären lassen.

Mit einem Erfolg bei dem Festival hatten die drei jungen Filmemacherinnen allerdings nicht gerechnet. Viel zu groß erschien ihnen die Konkurrenz mit weit über 100 eingereichten Filmen. Umso überraschter waren sie, dass "Tussi Car" sowohl bei der Vorauswahl als auch bei der Festivaljury so gut ankam, dass er zusammen mit 34 anderen Filmen im Hauptprogramm der Veranstaltung landete - neben Werken wie "Ludwig von Leonrod", einer Dokumentation über einen der Stauffenberg-Verschwörer, und dem Werbespot "Calecone", der den Weg von Mais zu Popcorn bis ins kleinste Detail veranschaulicht.

Am Ende war die Überraschung dann dennoch perfekt: Für ihren Film wurden die drei Schülerinnen mit dem Förderpreis der Gemeinde Gerbrunn und einer Urkunde als Landessieger ausgezeichnet. "Tussi Car" sei ein "temporeicher Film, der selbstironisch mit dem gängigen Tussi-Klischee spiele - eingekleidet in das bekannte Genre des zielgruppengerechten Autowerbefilms", hieß es in der Laudatio.

Nach dem Erfolg mit ihrer Arbeit sind sich die drei Fachoberschülerinnen auch einig, dass sie sofort wieder ein derartiges Projekt anpacken würden, wenn sie "eine zündende Idee" dafür hätten. Aber was die Zukunft bringt, können sie noch nicht so genau sagen. Daniela Peterknecht möchte eventuell Marketing studieren, Miriam Hofer und Denise Obersteiner sind dagegen noch unentschlossen. Irgend etwas in Richtung Filmbranche könnten sie sich aber durchaus vorstellen.

© SZ vom 31.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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