Emmering:Liberale entdecken das Soziale

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Rückbesinnung auf alte Werte: Hans Wimmer und Henrik Grallert sprechen über soziale Marktwirtschaft. (Foto: Günther Reger)

FDP-Kreisverband diskutiert über ungerechte Verteilung

Von Manfred Amann, Emmering

Auf der Suche nach politischen Ansätzen, mit denen die Partei Profil gewinnen könnte und die bewirken, dass die Freien Demokraten von den Bürgern wieder als gestaltende Kraft wahrgenommen werden, wildert der Kreisverband auch in Themen, die man originär eigentlich den Linken zuordnen würde. "Sozialdemokratisierung der Politik oder Abschied von der sozialen Gerechtigkeit - Soziale Marktwirtschaft als Voraussetzung von Freiheit" lautete das Thema eines Diskussionsabends, zu dem der FDP-Kreisvorstand in die Gaststätte Alter Wirt in Emmering eingeladen hatte. Referent Hans Wimmer aus Jesenwang löste eine lebhafte Diskussion aus.

Für den Bauunternehmer Wimmer, der vor 43 Jahren als Jungdemokrat zu den Liberalen fand, "weil ich in dem Programm am ehesten das entdeckte, was mich bewegte", und der in seiner Heimatgemeinde für die Wählergruppe Einigkeit im Gemeinderat mitwirkt, war die Einführung des Mindestlohnes eine wichtige Weichenstellung, die aber auch die Sozialisierung der Politik belegt. Dennoch hapere es immer noch bei der sozialen Gerechtigkeit, befand der 63-jährige. Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich immer mehr, die soziale Ungerechtigkeit werde immer eklatanter und lähme Deutschlands Entwicklung. Die Wirtschaft entferne sich immer weiter von der sozialen Marktwirtschaft und deswegen sei es für die Liberalen wichtig, soziale Themen aufzugreifen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und anzubieten. Die soziale Marktwirtschaft sei ein wesentliches Element von Demokratie und Freiheit, ergänzte der Kreisvorsitzende der FDP Hendrik Grallert. Freiheit bedeute im Sinne liberaler Politik nicht nur "Abwesenheit vom Zwang", sondern dass jeder Bürger die Möglichkeit haben müsse, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Um 1990 habe man noch keine Menschen angetroffen, die Pfandflaschen aus dem Müll fischen, betteln oder In Hauseingängen nächtigen. "Wie soll die FDP mit der Entwicklung umgehen?", fragte Hendrik. Referent Wimmer hat dazu klare Vorstellungen. Die Liberalen sollten dafür eintreten, dass jeder Beschäftigte, jede Familie so viel Geld zur Verfügung hat, um sich als Teil der Gesellschaft fühlen zu können. Konkret schlug er vor, Einkommen unter 2000 Euro grundsätzlich nicht zu besteuern. "Aus hautnaher Erfahrung als Bauunternehmer", werde er immer wieder damit konfrontiert, dass ein Handwerker, der netto 1600 Euro verdiene, insbesondere in der Metropolregion München kaum zurechtkomme. Die Steuern, die er abführen müsse, betrügen knapp 400 Euro und wenn er die behalten könnte, könnte er ein entspanntes Leben führen und auch etwas für die Altersvorsorge zurücklegen. Ein Mitglied brachte als Lösung das Bürgergeld ins Spiel, was von den übrigen aber nicht weiter vertieft wurde.

Wimmer regte auch an, eine "bezahlbare Krankenversicherung für alle Bürger, auch für Senioren" anzustreben. Ferner sollte kleine Vermögen vor dem Zugriff der Sozialsysteme geschützt werden. Es könne nicht sein, das jemand ein Leben lang spart, um im Alter zum Beispiel keine Miete mehr bezahlen zu müssen, dann alles dreingeben muss, wenn er arbeitslos oder ein Pflegefall wird, kritisierte der Jesenwanger. In der Aussprache wurden Forderungen nach einer Reichensteuer, nach europäischen Konzepten zur Eindämmung der Steuerflucht und nach Steuerermäßigungen für Geringverdiener laut. FDP-Kreischef Grallert pflichtete vielem bei, mahnte aber bei der Suche nach Lösungsvorschlägen für den Abbau der sozialen Ungerechtigkeit liberale Grundsätze nicht zu vernachlässigen, "bevor wir zu kommunistisch werden"

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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