"Django 3000" auf dem Brucker Volksfest:Typen

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Party ohne Ende: Florian Starflinger an der Violine, Frontmann und Sänger Kamil Müller an der Gitarre und Michael Fenzl am Kontrabass beim Auftritt am Sonntag in Bruck. (Foto: Johannes Simon)

Sie haben lange Bärte und Retro-Sonnenbrillen im Gesicht. Sie sind brachial und laut. Vor allem aber ist ihr bairischer Gipsy-Pop einfach magisch.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Einen besseren Platz gibt es für diese vier Typen nicht. Am Sonntagabend stehen sie im kleinen Zelt des Brucker Volksfests auf der Bühne. Ach was, stehen: sie sind erschienen. Und die Leute toben. Dabei spüren die wohl an die 700 Besucher zwar, dass diese urgewaltige Band Django 3000 so gut zur Stadt passt wie das König-Ludwig-Bier.

Aber warum, das wissen nur jene, die schon am Fan-Stand der Djangos waren und deren dritte Scheibe "Bonaparty", die auf Platz 19 der deutschen Albumcharts eingestiegen ist, aus der Hülle gepult haben. Da ist es, das gülden schimmernde Konterfei von König Ludwig II.. Dessen enger Verwandter, Ludwig III., ist bekanntermaßen Urgroßvater des heutigen Chefs der gleichnamigen Brauerei, die gleich hinterm Festzelt steht. Das ovale Schild, das unterm weiß-blauen Baldachin baumelt, kündet über den Köpfen der Chiemsee-Desperados vom dunklen Gebräu, das im Namen seiner Hoheit gebraut wird, auch fürs Volksfest.

Dunkel ist es im Zelt, dunkel ist die Musik. Dunkel, brachial, schräg, stimmgewaltig. Da ist jemand auf die krude Idee gekommen, Klezmer, Polka, Zigeuner- und Volksmusik in einen Topf zu werfen, dreimal umzurühren und damit in schwarzen Klamotten auf die Bühne zu steigen. Was für Typen! Und was für Brillen! Das müssen wohl die Trostpreise an der Schießbude gegenüber gewesen sein: Sorry, Plastikrosen sind aus. Aber da hinten im Körbchen liegen noch ein paar Pilotenbrillen aus den Achtzigern.

Und diese Bärte! Hochleistungsviolinist Florian Starflinger kann sich den Weg zum Barbier sparen - spätestens wenn sein Bart dem Geigenbogen ins Gehege kommt, gibt's die nächste Trockenrasur. Einen längeren Bart hat nur noch Schlagzeuger Jan-Philipp Wiesmann - noch längere bestenfalls die texanischen Bluesrocker von ZZ Top. Aber die haben dafür diesen coolen Gipsy-Pop-Mundart-Sound nicht drauf. Charakteristisch ist die mal klassisch punktgenaue, mal schräge oder über der Melodie flirrende Geige: eine Allianz aus Georgi Gogow von der DDR-Kultband City ("Am Fenster") und dem ungarischen Teufelsgeiger Roby Lakatos. Die schrammelnde Geige wird schon mal zur Gitarre, am Hals gepackt, gewürgt, gerupft und gezupft. Die Musik der Djangos lebt zudem von der Reibeisenstimme des Frontmanns Kamil Müller, einem eingebayerten Slowaken. Müller ist Adriano Celentano hoch zwei. Wenn er nicht singt, lässt er die akustische Gitarre zum Wettrennen antreten gegen den mächtigen schwarzen Akustik-Bass von Michael Fenzl. Fenzl ist der, der auf dem Kontrabass reitet. Abgesehen von Tattoos auf den Oberarmen, Panzerkette am Handgelenk und der musikalischen Genialität ist er das Gegenstück zu den anderen Djangos: Juppie-Frisur und bartlos. Auch er indes ist Profi, hat ebenso wie Wiesmann und Starflinger Musik studiert und gehört seit 2002 den Luftmentschn an. Diese Band übersetzt mit Ziehharmonika, Hackbrett und Geige traditionelle Volksmusik in die Neuzeit: Weniger Humtata, mehr Jazz. So entsteht Bairische Barfuß-Weltmusik, wie sie, wenn auch mit Blasinstrumenten, von der ebenfalls aus dem Chiemgau stammenden Band LaBrassBanda bekannt ist. Die kommt am Freitag aufs Volksfest.

Die Luftmentschn sind gespaltene Persönlichkeiten. Manchmal werden sie zu Djangos. Dann sind sie nicht mehr brav. Dann sind sie ungezähmt, kompromisslos. "Du und i gegen den Rest der Welt"? Kein Problem! "Heid samma wuid und laut", schmettern die Vier dem Publikum entgegen. Das Publikum steht auf wild und laut. Treibende Beats sind das Markenzeichen dieser bayerischen Zigeunermusik. Irgendwann wird sie um ein paar englische und russische Versatzstücke ergänzt. Denn die Djangos kehrten jüngst von einer Russlandtournee zurück, gemeinsam mit der finnischen Band Jaako Laitinen & Väärä Raha. Nun klingen sie manchmal nach Kaviar und Wodka. Nastrovje!

"I don't cry for little girls", tönt es von der Bühne. Klingt wie die Abrechnung eines Abgewiesenen. Hinten, nahe dem Mischpult, tanzt ein vielleicht dreijähriges Mädchen, dass die blonden Locken fliegen. Irgendwann ist es müde und wird von den Eltern heimgebracht. Es verpasst "Heidi". Vielleicht besser so, denn Djangos Heidi lebt nicht auf der Almwiese. Und der Geißenpeter hat einen Bart und eine unterirdische Brille auf und singt: "Häh wia hoaßt du hob is gfrogt, Heidi hods ma gsogt, I hob glei gwusst des war de grecht, und gfrogt obs mit mir danzn mecht." Es ist das Lied, das Django 3000 bekannt gemacht hat. 1,2 Millionen Mal geklickt bei Youtube.

Nach der fünften Zugabe gehen die Lichter aus. Die Magie erstirbt. Wie auf Kommando werden zwei Minuten später beim Magic neben dem großen Festzelt die Lichter und der Ton abgedreht. Die Nacht war wild. Aber ohne Django läuft nichts mehr.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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