Die Verkäuferin:Erfüllte Zeit - und ein Taschengeld

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Irene Klemenz arbeitet noch jeden Dienstag und Mittwoch jeweils von 10 bis 17 Uhr im Klosterladen - weil ihr das schlicht Spaß macht. (Foto: Johannes Simon)

Die 80-jährige Irene Klemenz will im Brucker Klosterladen so schnell nicht aufhören

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Eigentlich ist das der pure Luxus: Irene Klemenz ist nicht auf das Geld angewiesen. An zwei Tagen die Woche, jeden Dienstag und Mittwoch, steht sie im Klosterladen. Der gehört ihrer Tochter, der Historikerin und Brucker Stadträtin Birgitta Klemenz. Irene Klemenz macht es schlicht Freude, zwischen Büchern, Devotionalien, Schnapsfläschchen, Marmeladengläsern, dem Ständer mit den Postkarten mit Blumenmotiven oder den Geschenkartikeln für Hochzeiten, Taufen oder Firmungen zu schwelgen, sich mit Kunden zu unterhalten. Einfach beschäftigt sein. Und ja, auch das: einfach gebraucht werden - denn so ein kleiner Laden ist selten eine Goldgrube und Personal vergleichsweise teuer. Irene Klemenz aber nimmt nur ein kleines Taschengeld. Mehr will sie nicht.

Im November wird sie 81, ist sich aber ganz sicher: Sie wird noch weitermachen, so lange es gesundheitlich geht. Altersgrenze? Ach was. Klemenz winkt ab und lacht verschmitzt. "Ich hör so schnell nicht auf. Und es geht doch alles gut." Die geborene Münchnerin hat ein dezentes und doch irgendwie auch resolutes Auftreten. Weiße Haare, zurückhaltend geschminkt, Perlenkette um den Hals, ein leger aufgeknöpftes, makellos gebügeltes Hemd über dem T-Shirt. Wer verkaufen will, sollte glaubwürdig machen, dass er etwas von den Produkten versteht. Irene Klemenz kann das. Sie verkauft nicht nur Bücher. Sie weiß auch, was drin steht. Eine Kundin lässt sie am Dienstagnachmittag in Ruhe stöbern, bevor sie die 23,70 Euro für das Holzkreuz eintippt und die Kasse rattern lässt.

Die Tochter eines Polizisten und Schwester einer Ärztin hat im Fichtelgebirge beim Porzellanhersteller Rosenthal Industriekauffrau gelernt und dann bei der ehemals gewerkschaftseigene Neuen Heimat in der Rechtsabteilung gearbeitet. Als Kleinkind war sie mit ihren Eltern bereits Ende der Dreißigerjahre nach Bruck gekommen. Der Vater wurde nach dem Krieg in Oberfranken eingesetzt, bevor die Familie 1959 wieder zurückkehrte.

Das Kloster ist ihr bestens vertraut: hier die Polizeifachschule, dort die Barockkirche. Noch bevor ihre Tochter 1998 den Klosterladen eröffnete, half die Hausfrau und Mutter gerne im Freundeskreis aus, wenn Not am Mann war. Und nun sind es auch schon wieder fast 20 Jahre, in denen sie Woche für Woche zwei Tage im Klosterladen steht. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Und doch ist sie in gewisser Zeit auch stehen geblieben: denn viel verändert hat sich hier nicht. Einen Computer gab es auch 1998 schon, und mancher Klassiker der religiösen Literatur erhält vielleicht mal ein neues Cover vom Verlag, bleibt im Kern aber eben ein Klassiker, der dem Wandel die Stirn bietet. Die Umgebung hat sich natürlich verändert: Die zunehmend verfallenden Gebäude wurden restauriert, mittlerweile hat Fürstenfeld an Glanz gewonnen und genießt einen exzellenten Ruf. Das heißt aber mitnichten, dass sich die Kunden im Klosterladen nun immer dicht drängen. Just an diesem Tag hat eine Frau angerufen. Die wohnt im Landkreis, wollte in den Klosterladen kommen, wusste aber nicht so genau, wie sie dorthin kommt. Das letzte Mal, so stellte sich heraus, war die Frau in Fürstenfeld gewesen, als es noch die Firma Grundig gab. Mindestens 14 Jahre muss das also her sein. Sachen gibt's. Und ähnliche Anekdoten immer mal wieder. So wie die von dem Mann, der irgendwann mal im Klosterladen stand und bei Irene Klemenz Rat suchte. Wo um alles in der Welt denn hier die Kirche sei, wollte er wissen. Irene Klemenz muss ihn ziemlich ungläubig angesehen haben. Jedenfalls deutete sie aus dem Fenster. Zu übersehen ist die Barockkirche eigentlich nicht. Sie liegt mächtig ausladend gleich gegenüber.

In Bruck lebt die seit zwei Jahren verwitwete Irene Klemenz gemeinsam mit der Tochter unter einem Dach - sie unten im Erdgeschoss, Birgitta Klemenz oben. Vielleicht wird es in nächster Zeit ja auch etwas mehr Arbeit geben, eröffnet die Tochter an der Schöngeisinger Straße im Fürstenfeldbrucker Zentrum doch am kommenden Mittwoch einen weiteren Laden für Bücher und Geschenkartikel.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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