Dauerbrenner:Immer im Fluss

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Auf der Bundesstraße 471 sind täglich bis zu 32 000 Fahrzeuge unterwegs. Nun soll sie von Geiselbullach bis Fürstenfeldbruck vierspurig werden. Die Frage ist: Hilft das gegen den Stau oder zieht ein Ausbau sogar noch mehr Verkehr an?

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Wer mit dem Auto im Landkreis unterwegs ist, kommt um diese Straße nicht herum. Um zahlreiche Orte und Städte zu erreichen, ist die Bundesstraße 471 quasi der Zubringer, von dem aus man irgendwann in Richtung Zielort abzweigt. Irgendwie ist sie auch Lebensader einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Möglicherweise aber auch Sinnbild für die Auswüchse dieses Lebens: Geschwindigkeit, Lärm, Umweltzerstörung. Die B 471, die quer durch den Landkreis aus dem Südwesten in den Nordosten führt, muss immer mehr Verkehr aufnehmen, weshalb sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder die Frage stellt: Braucht sie dafür noch mehr Fahrspuren? Oder bringt eine Erweiterung noch mehr Verkehr mit sich?

Die Ansichten darüber gehen auseinander. Die Zusammenhänge sind nicht immer einfach, denn die Verkehrsbeziehungen sind vielfältig, und wie es im Verkehrsinvestitionsbericht 2013 heißt, sichert eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur die "europäische und globale Wettbewerbsfähigkeit". In diesen Dimensionen mag nicht jeder denken, der an einer Bundesstraße wohnt und sich durch ein Zuviel an Verkehr eingeschränkt oder gestört fühlt. Allzu einseitig auf die Interessen der Wirtschaft ausgerichtet sehen auch Umweltverbände die Verkehrspolitik vielerorts und beklagen eine falsche Schwerpunktsetzung und zunehmende Flächenversiegelung. Andere wie die Verkehrsplaner bezeichnen die B 471 als "Hauptverkehrsader, die viel Verkehr aufnimmt und auch aufnehmen soll", wie Alex Eder sagt, der zuständige Abteilungsleiter für Straßenbau im Staatlichen Bauamt Freising.

Vier Fahrstreifen hat die B471 zwischen der Anschlussstelle zur Autobahn A8 und dem Gewerbepark Geiselbullach bereits. (Foto: Günther Reger)

Die Bundesstraße mit der Nummer 471, die im Landkreis über etwa 25 Kilometer führt, war vor einigen Jahrzehnten die einzige Möglichkeit, die Stadt München zu umfahren. Sie stammt aus den Sechzigerjahren und führte zunächst von der damaligen Bundesstraße 12 bei Inning am Ammersee (wo heute die Autobahn A 96 verläuft) ohne Ortsumgehungen bis zur Autobahnanschlussstelle Garching. Nach und nach wurde sie aus den Orten um die Orte herumverlegt. Früher führte die Trasse ja tatsächlich mal durch die Stadt Fürstenfeldbruck - dort, wo jetzt die äußere Schöngeisinger Straße verläuft - und selbst in Grafrath ist die heutige Bundesstraße, die immer noch den Ort durchschneidet, eine Art Umfahrung, denn einst verlief sie entlang des alten Ortskerns. Heute ist sie ein wesentlicher Bestandteil in einem Geflecht an Verkehrsachsen, führt vom Münchner Westen in den München Norden und verbindet dabei die Autobahnen A 96, A 8, A 92 und A 9.

Doch trotz neuer Trassenführung außerhalb der Städte und der Erweiterung der Fahrspuren hat sie ihr endgültiges Erscheinungsbild noch nicht erreicht. Man müsse immer reagieren auf Veränderungen im Straßenverkehr, sagt Eder. Die Mobilität der Menschen sei ja vorhanden, bei Kapazitätsengpässen würden die Autofahrer sonst auf die Ortsstraßen ausweichen. Vor allem in Richtung A 8 kommt es immer wieder zu Staus auf der B 471. 32 000 Fahrzeuge befahren nach Angaben des Staatlichen Bauamts Freising den Abschnitt zwischen Geiselbullach und Esting - täglich. Die Belastung ist vor allem im Berufsverkehr hoch, große Gewerbegebiete sind bei Geiselbullach und bei Bergkirchen jenseits der Autobahn hinzu gekommen. In weiteren Verlauf der Bundesstraße in Richtung Südwesten nimmt die Verkehrsbelastung ab, bleibt aber mit 24 000 Fahrzeugen zwischen Esting und Fürstenfeldbruck-Ost immer noch hoch.

SZ-Grafik (Foto: ipad)

Neu geschaffene Verkehrswege wie die Autobahn A 99 West, die seit 2006 die A 8 und die A 96 verbindet, oder die bereits seit 1998 in Betrieb befindliche Eschenrieder Spange - ein Teilstück zwischen A 8 und dem weiteren Verlauf der A 99 - brachten allenfalls kurzfristig Entlastung. Inzwischen gelten diese Autobahnabschnitte als chronisch überlastet. Entsprechend oft staut sich der Verkehr dort - und sucht sich dann andere Wege, etwa über die B 471. Nun soll diese wieder ausgebaut werden. Ein ewiges Ping-Pong-Spiel?

Geplant ist, die B 471, die zwischen dem Anschluss zur Autobahn A8 und dem Gewerbepark Geiselbullach bereits vierspurig verläuft, auf weiteren 7,3 Kilometern mit je zwei Fahrstreifen in jede Richtung fortzuführen. Gebaut werden soll in zwei Teilabschnitten - von Geiselbullach bis Esting und von Esting bis zur Ausfahrt Fürstenfeldbruck-Ost, wo auch das Gebiet des zur Konversion vorgesehenen Fliegerhorstes liegt -, so sieht es der Mitte März vorgestellte neue Bundesverkehrswegeplan vor, der die Investitionen in Neubau, Ausbau und Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserwegen in Deutschland für die nächsten 15 Jahre festlegt. Gesamtkosten des Ausbaus: 29 Millionen Euro. Die Bayerische Staatsregierung und auch Politiker aus dem Landkreis hätten die Bundesstraße sogar gerne noch ein Stück weiter bis Buchenau breiter machen wollen, wo immerhin noch 15 000 Fahrzeuge am Tag unterwegs sind. Der Abschnitt aber hatte es nicht in den sogenannten "vordringlichen Bedarf" geschafft, was bedeutet, dass dort zumindest bis zum Jahr 2030 alles beim alten bleibt.

Immer wieder entstehen Staus auf der viel befahrenen Straße, nach Unfällen. (Foto: Günther Reger)

"Jeder Ausbau zieht neuen Verkehr an", sagt Eugenie Scherb. Sie ist Kreisvorsitzende beim Bund Naturschutz (BN) und kritisiert die Prioritäten in der Planung: "Das führt weder zu einer Verkehrsberuhigung noch zur einer Verkehrsverringerung." Mit einer solchen Querverbindung durch den Landkreis eröffne man Auswege für die Autobahnen und ziehe Verkehr erst an. Straßenbau-Abteilungsleiter Eder indes sagt, der Verkehr im Raum München werde zunehmen, deshalb sei der Ausbau auf vier Fahrstreifen sinnvoll.

Mit "Engpassbeseitigung" wird die Erweiterung der B 471 im Verkehrswegeplan begründet. Um vor allem morgens Rückstaus auf der B 471 und auch auf der Autobahn zu verhindern, soll dazu außerdem an der Autobahnanschlussstelle bei Geiselbullach eine neue, etwas mehr als 800 Meter lange Abfahrtsrampe von der A 8 aus Richtung München zur B 471 in Richtung Dachau beitragen. Nicht nur die Fahrzeuge, die auf der Bundesstraße in Richtung Autobahn unterwegs sind, sorgen dort für extrem hohes Verkehrsaufkommen. Laut einem Gutachten des Verkehrsplaners Professor Harald Kurzak von 2013 hat sich vor allem morgens die Anzahl der von München kommenden Fahrzeuge, die an der B 471 von der Autobahn abfahren, schon zwischen 2006 und 2012 nahezu verdoppelt. 45 000 Fahrzeuge fahren demnach an Werktagen über die Rampen der Anschlussstelle.

Noch immer gibt es Gemeinden, die von der B471 durchschnitten werden. Eine davon ist Grafrath. (Foto: Reger)

Die Verkehrsplaner müssen dabei beachten, dass sie nicht beliebig in die Natur eingreifen dürfen. Ein verkehrlich optimaler Ausbau der Anschlussstelle mit gleichartigen An- und Abfahrspuren in allen vier Himmelsrichtungen war wegen des angrenzenden FFH-Gebiets Ampertal nicht möglich. Mit der jetzt gewählten Lösung wurde dort nur ein Fläche von 0,7 Hektar im Randbereich überbaut, heißt es. Auch sei es schwieriger geworden für die Behörden, den erforderlichen Grund für die Straßenbaumaßnahmen zu erwerben, sagt Alex Eder. Öffentlicher Widerstand tut ein übriges, warum Verkehrsprojekte oft auch ins Stocken geraten oder sich zeitlich in die Länge ziehen. Dieser rege sich häufig erst, wenn es konkret würde, weiß Eder. Deshalb kann sich zum neuen Bundesverkehrswegeplan erstmals jeder Bürger in einem Zeitraum von sechs Wochen äußern.

Von dieser Möglichkeit will auch die Gemeinde Grafrath Gebrauch machen. Dort war man aufgeschreckt von der Kunde, dass die Bundesstraße bis Buchenau vierspurig ausgebaut und danach auf zwei Spuren zusammengeführt werden und zusätzlichen, sich stauenden Verkehr in die kleinen Orte Schöngeising und Grafrath bringen könnte, die beide von der B 471 durchschnitten werden. Am Klosterensemble in Grafrath wird sichtbar, wie sehr die Trasse auch städtebaulich in den Ort eingreift: Auf der einen Straßenseite das Kleinod der barocken Rassokirche, auf der anderen Seite das dazu gehörige Klostergebäude, dazwischen nichts als Verkehr. Seit Jahren schon fordert Grafrath Maßnahmen gegen Fahrzeuge, insbesondere Lastwagen, die die B 471 zur Umgehung der Autobahnmaut nutzen. Ein Tunnel im Ortsbereich, unter der Amper hindurch, machte nun als Idee die Runde und zog freilich die Frage nach sich, ob dies tatsächlich Entlastung vom Verkehrslärm bringen oder im Gegenzug noch mehr Verkehr anziehen würde. Ohnehin gilt eine Tunnellösung unter Verkehrsplanern als "allerletztes Mittel, weil er in Bau und Unterhalt wahnsinnig teuer ist", sagt Eder.

Doch in Grafrath lässt man nicht locker. "Die Verkehrsbelastung durch das Nadelöhr Grafrath ist bereits immens", schreibt der örtliche CSU-Fraktionsvorsitzende Gerald Kurz auf Facebook. Ein Ausbau der B 471 "erhöht den Verkehr zu Lasten Grafraths und damit zu Lasten Dritter". Es werde künftig "nicht nur der heutige Verkehr nicht mehr tragbar" sein, sondern die B 471 stelle auch "eine unverantwortliche Gefahrenstelle neben Schule, Kindergarten und Kinderkrippe" dar. Er sieht die Untertunnelung des Ortszentrums auf einem guten Weg, obwohl es die Gemeinde versäumt hatte, das Projekt für den Verkehrswegeplan anzumelden. Andere wie der CSU-Landtagsabgeordnete Reinhold Bocklet hatten nach Veröffentlichung des Verkehrswegeplans vermutet, dass nun "auch die Befürchtungen der Grafrather wegen eines weiteren Ausbaus der B 471 in Richtung Inning etwas entschärft werden dürften". Da hat er sich wohl getäuscht. Die B 471 wird ein Dauerbrenner bleiben - auf Jahrzehnte hinaus.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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