Animuc in Bruck:Perücken, Rüstungen und Flügel

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Ein Wochenende lang treffen sich im Kloster Fürstenfeld Hunderte von Kostümierten. Die Ideen für ihre Verkleidungen entnehmen die jungen Leute, die sich Cosplayer nennen, zu einem Großteil der Fantasiewelt japanischer Comics

Valentina Finger

Vor den Toren des Klosters werfen sich kriegerisch aussehende Nonnen in Pose, wenige Meter weiter sitzt ein Mädchen mit Plüschhasenohren auf dem nasskalten Asphalt. Den Fotografen gefällt's, die nehmen ganz in Schwarz gekleidete Vampir-Bräute und niedliche Lolitas ins Visier, scharen sich um eine Dreier-Gruppe in nachtblauen Rokoko-Kostümen.

In Kloster Fürstenfeld trafen sich japanische Comic-Figuren, Helden aus Computerspielen und Märchengestalten. (Foto: Günther Reger)

Was auch dieses Jahr wieder zahlreiche Schaulustige auf das Gelände des Klosters Fürstenfeld gelockt hat, ist die inzwischen fünfte Ausgabe der Animuc, einer Messe für Manga, Anime und was sonst noch so mit der japanischen Kultur zu tun hat. Deswegen standen die Cosplayer - so nennt man die Kostümierten unter den Fans - das ganze Wochenende im Klosterareal für die Kameras bereit, bei windigen acht Grad und Nieselregen. Das Wetter hat es leider auch in diesem Jahr nicht gerade gut mit ihnen gemeint.

Die fantasievollen Kostüme waren beliebte Objekte von Fotografen. (Foto: Johannes Simon)

Auf dem Parkplatz geht's schon los. Eine Lücke zu finden, ist bei diesem Andrang reine Glückssache. Hier werden noch die Perücken gesteckt, die Rüstungen und Flügel angelegt. Kalt wird einem schon vom Zuschauen, da sieht man kurze Röcke mit Kniestrümpfen, schulterfreie Kleider und nackte Oberkörper, bei den Herren wohlgemerkt. Frieren muss auch Denise. Die 23-Jährige aus Esting hat sich als Sailor Moon, die Mondprinzessin in Matrosen-Montur, verkleidet.

Auch zum Fürchten gab es Grund: Der kleine Diego aus der Schweiz machte Erfahrungen mit einem Anime-Fabeltier. (Foto: Johannes Simon)

"Es ist sehr kalt, und die Kostüme sind einfach zu kurz und knapp. Aber wer schön sein will, muss leiden", sagt Denise und bekommt von ihrem Begleiter im nächsten Moment eine Jacke umgelegt. Wärme und Trost kann sie brauchen, denn ihre Stimmung ist heute ähnlich frostig wie die Temperaturen. "Mein Stab ist mir zu Hause komplett auseinander gebrochen, so dass ich alles neu anmalen und kleben musste", erzählt Denise.

Viele kamen nach Fürstenfeldbruck - mehr oder weniger verkleidet. (Foto: Johannes Simon)

Das ist ärgerlich, vor allem, weil die meisten Cosplayer immensen Aufwand um ihre selbst geschneiderten Kostüme betreiben. Natalie ist eine von ihnen. Die 24-Jährige, die mit ihren Freunden aus Bad Tölz angereist ist, trägt einen ausladenden Ballonrock mit straff geschnürter Korsage, von ihrem Kopf ragt ein Gebilde aus Hörnern und Schleiern empor und über ihre eigenen Zähne hat sie einen spitzen Gebissaufsatz gesteckt. Im Endeffekt kann Natalie heute weder sitzen noch sprechen.

Eines von zahlreichen Erinnerungsfotos. (Foto: Johannes Simon)

Drinnen sitzen die, deren Kostüme es zulassen, über den Boden verteilt auf Decken und warten auf ihren nächsten Workshop. Davon gibt es einige auf der Animuc, ob Näh- oder Zeichenübungen, Anleitungen für falsche Brüste oder einen Crashkurs in Japanisch. Im Erdgeschoss der Tenne reihen sich Verkaufsstände mit Plastikfiguren und Manga aller Art aneinander. Am Stand von Nathalie Quillmann gibt es Cosplay-Zubehör. Die beliebtesten Perücken seien schwarzblond, erzählt sie, was erstaunlich ist, da man nahezu jede Farbe haben könne.

Doch ihr wahrer Verkaufsschlager seien thermoplastische Werkstoffe. "Wenn die erhitzt werden, kann man sie formen und zum Beispiel Rüstungen daraus bauen", sagt die 29-Jährige. Weiter geht's oben. Im zweiten Stock hampeln einige Cosplayer bei virtuellen Tanz-Contests vor Bildschirmen herum, andere konzentrieren sich beim Go, einem japanischen Brettspiel, das aussieht wie Mühle oder Dame, dessen Regeln man als Laie aber kaum entschlüsseln kann.

Während sich die einen an den Spielkonsolen zusammentun, hat eine Gruppe Jugendlicher auf dem Boden ihre eigene "Zockerrunde" gegründet, der - so heißt es auf einem Zettel - sich jeder anschließen darf. Hier oben machen wirklich alle, was sie wollen. Die Comiczeichner beugen sich über ihre Blöcke, durch die Luft fliegen Seifenblasen und vor einem Losstand spielt ein gepiercter Typ im orangen Overall "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana auf der Gitarre.

Im Foyer der Stadthalle schließlich ballt sich das Treiben. Auch hier sitzen die Cosplayer auf dem Boden, im Stadtsaal tritt eine Genre-Band nach der anderen auf. Während man auf den Toiletten einen Blick hinter die Kulissen bekommt: "Hat jemand Sicherheitsnadeln dabei?", kann man die Kandidaten für den Cosplay-Wettbewerb nur aus der Ferne betrachten, so lang ist die Schlange vor dem Säulensaal.

Dafür ergibt sich beim Warten ein Gespräch mit Marie, Daniel und Gino. Die Drei sind für den Waffencheck verantwortlich, kontrollieren also, ob die Waffen, die zu vielen Kostümen gehören, auch den Vorschriften entsprechen. Ein weißes Band bedeutet Ja, ein schwarzes Nein. Wie an der Garderobe die Jacken, hängen hier Lanzen, Macheten oder Zauberstäbe. Alles unecht, versteht sich. Das bisher Kurioseste sei eine selbst gemachte Riesen-Bazooka gewesen, sagt Marie und holt das fast zwei Meter lange Monstrum hervor.

Jetzt aber schnell weg hier. Im Säulensaal findet nun der Cosplay Dance Off, ein Tanzwettbewerb, statt. Und da ist auch eine alte Bekannte aus dem letzten Jahr: Hizsi aus Frankfurt trägt ein schrilles Federkleid, inklusive Schnabel und Raubtiertatzen. Wieder eins der auffälligsten Kostüme, wieder ist sie barfuß unterwegs. Man darf gespannt sein, als was sie im nächsten Jahr auftritt. Aber dieses Jahr gewinnt sie erstmal das Tanzgefecht gegen Pikachu.

© SZ vom 22.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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