10. Germeringer Frauentage:Der Spagat

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Sie versuchen täglich aufs Neue, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, sie arbeiten Teilzeit und in den schlechter bezahlten Jobs. In den politischen Gremien sind sie nach wie vor unterrepräsentiert - eine Bestandsaufnahme über die weibliche Lebenswelt im Landkreis

Von Heike A. Batzer

Germeringer Frauen verschiedenen Alters werden in einer Fotoausstellung bei den Frauentagen zu sehen sein. (Foto: Mueller Renate)

Junge Frauen von heute sind selbstbewusst und glauben an ihre Chance. Warum auch nicht? Sie haben die besseren Schulabschlüsse, und auch einen sogenannten Männerberuf zu ergreifen, ist weder ungewöhnlich noch unmöglich. Dass Frauen ihre Interessen dennoch durchsetzen müssen und ihnen das oft nicht gelingt, wollen viele junge Frauen deshalb oft nicht glauben. "Was machst du den ganzen Tag?", sei sie von jüngeren Frauen gefragt worden, erzählt Renate Konrad. Sie ist 43 und Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Germering. Diejenigen, die so reden, sind deutlich jünger und der Ansicht, sie könnten doch heute alles machen. "Doch wenn der Kinderwunsch einsetzt", sagt Konrad, "dann hört die Gleichberechtigung meist auf". Dass junge Paare, die sich bis dahin gleichberechtigt verhielten, mit der Geburt von Kindern in traditionelle Geschlechterrollen zurückfallen, ist wissenschaftlich belegt. Dann brauchen auch junge Frauen Unterstützung, weiß Viola Lombard. Sie leitet für den Gröbenzeller Verein "Treffpunkte" Seminare, die "Neuer Start für Frauen" heißen und Frauen Motivation und Orientierung bieten, die nach zehn-, oft auch zwanzigjähriger Familienpause wieder in den Beruf zurückkehren möchten. Bei den Germeringer Frauentagen, die von 22. bis 25. November stattfinden, bietet Lombard am Abschlusstag dazu einen Informationsvortrag an.

Denn die Rückkehr nach langer beruflicher Auszeit ist schwierig. Vor allem Frauen in Westdeutschland gelinge noch zu selten ein dauerhafter Wiedereinstieg nach einer längeren Erwerbsunterbrechung, weiß man auch im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Statt einer qualifizierten, vollzeitnahen Tätigkeit nehmen sie oftmals eine geringfügige (Teilzeit-)Beschäftigung auf, die vor allem mit Blick auf eine eigenständige Existenzsicherung und die Absicherung im Alter problematisch ist", heißt es dort.

Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck haben Frauen die schlechter bezahlten Jobs. Nach Angaben des Pestel-Instituts für Systemforschung in Hannover, das im Auftrag der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geforscht hat, sind lediglich 38 Prozent aller Vollzeitstellen im Landkreis mit Frauen besetzt, bei den Teilzeit- und Minijobs sind es 71 Prozent. "Gerade Frauen werden als billige Arbeitskräfte von Teilen der heimischen Wirtschaft regelrecht ausgenutzt", sagt Heinrich Birner, Geschäftsführer im Verdi-Bezirk München.

Auch für gleiche Arbeit ist gleicher Lohn nicht unbedingt der Standard. 23 bis 24 Prozent verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als Männer. Damit einher geht ein höheres Armutsrisiko. Frauen sind häufig in ohnehin schlecht bezahlten Jobs tätig, etwa in Erziehungsberufen oder der Kranken- und Altenpflege. Verbesserte Betreuungsmöglichkeiten wie das Recht auf einen Krippenplatz für die Ein- bis Dreijährigen, das seit August gilt, oder mehr Ganztagsangebote an Schulen verbessern zwar die Ausgangsbasis für Frauen, zeitlich unabhängig einem Beruf nachzugehen, doch der Ausbau dauert. Zum Stichtag konnten noch nicht alle Landkreisgemeinden den neuen Rechtsanspruch einlösen, und echten Ganztagsunterricht gibt es bislang nur an einer einzigen weiterführenden Schule, der Realschule Unterpfaffenhofen. Auch die Kreisklinik tüftelt an besseren Kinderbetreuungsmöglichkeiten für ihr Personal, hat aber noch keine Lösung gefunden. Die in der Pflege tätigen Frauen brauchen das Betreuungsangebot auch zu ungewöhnlichen Zeiten, um Früh- und Spätschichten leisten zu können. Die Politik geht bei der Frauenförderung nicht unbedingt mit gutem Beispiel voran. Wie die Jesenwanger SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner über eine Anfrage an den Landtag herausgefunden hat, liegt in den einzelnen Ministerien der CSU-geführten bayerischen Staatsregierung der Anteil der Frauen auf Abteilungsleiterebene zwischen null und 40 Prozent. Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU) ist seiner Partei in diesem Punkt voraus. In dem von ihm geleiteten Landratsamt sind Abteilungsleiterpositionen für Frauen seit vielen Jahren üblich, auch, dass sich Frauen Führungsverantwortung teilen und ihren Beruf in Teilzeit ausüben. Das ginge sehr gut, weil "die Frauen ehrgeizig und motiviert sind und sich nichts nachsagen lassen wollen", sagt Karmasin: "Ich kann es nur empfehlen." Volkswirtschaftlich könne man auf die gut ausgebildeten Frauen gar nicht verzichten.

Doch auch Karmasin hat immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Frauen sich manches "nicht so zutrauen wie Männer und dann fragen: 'Meinst du, dass ich das kann?'" So wollte er mehr Frauen für die politische Arbeit seiner Partei bewegen, doch nur 21 der 70 Namen auf der CSU-Kandidatenliste für den nächsten Kreistag sind weiblich. "Zu wenig", wie er bei der Nominierungsversammlung befand: "Die statistische Quote für Frauen ist 50 Prozent, alles andere ist eine ungewöhnliche Abweichung." Viel Potenzial liege auch bei Frauen über 50 brach, meint die Germeringer Neu-Bezirksrätin und Kreisvorsitzende der Frauen-Union, Gabriele Off-Nesselhauf: "Man hat in dem Alter mehr Erfahrung, mehr Selbstbewusstsein. Das müssen wir noch viel mehr nutzen."

Im Fürstenfeldbrucker Kreistag, der beispielsweise darüber entscheidet, ob eine weiterführende Schule im Landkreis renoviert oder zur Ganztagsschule ausgebaut wird, liegt der Frauenanteil bei 28,5 Prozent. Die Grünen bestehen zu fast zwei Dritteln aus Frauen (60 Prozent), bei der SPD sind es 35,5, bei der CSU 29 Prozent. Freie Wähler, FDP, Unabhängige Bürgervereinigungen und ÖDP kommen indes ganz ohne Frauen aus. Eine der Kreisrätinnen ist die Germeringerin Beate Walter-Rosenheimer, die seit knapp zwei Jahren auch für die Grünen im Bundestag sitzt. "Am Ziel sind wir noch lange nicht", sagt Walter-Rosenheimer. "Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es viele Frauen, die täglich den Spagat versuchen müssen zwischen Berufstätigkeit und Kinderversorgung, die nach der Elternzeit schwer oder gar nicht in einen guten Job zurückfinden, die keine Kinderbetreuung für ihre Unter-Dreijährigen finden, alleinerziehend unter die Armutsgrenze fallen, die aus dem Job aussteigen müssen oder nur Teilzeit arbeiten können, weil sie Angehörige pflegen, oder Frauen, die unter Altersarmut leiden - aus genau den gerade aufgezählten Gründen."

SPD und Grünen gelingt es immerhin, ihre Bewerberlisten paritätisch zu besetzen. Doch auch den Sozialdemokraten im Landkreis fehlen Frauen, die sich beispielsweise verstärkt in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen engagieren. "Die hohe Belastung durch Familie und Beruf" nennt Kathrin Sonnenholzner dafür als Gründe. Sie weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst drei Söhne groß gezogen. Veranstaltungen wie die Germeringer Frauentage, die die Lebenswirklichkeit der Frauen thematisieren, haben sich durchaus nachhaltig auf die Sache der Frauen ausgewirkt. "Die Frauenarbeit vor Ort hat uns in die Politik gebracht", sagt die Germeringer Stadt- und Kreisrätin der Grünen, Michaela Radykewicz. Und auch Margarete Reifinger von der unmittelbar nach den ersten Frauentagen gegründeten Germeringer Fraueninitiative (Gefi) hat die Erfahrung gemacht, dass Frauen durch die Arbeit in den Initiativen "selbstbewusster werden und in die Öffentlichkeit gehen".

© SZ vom 15.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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