Zamma in der Stadt:Zauber eines Festivals

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Es hat einfach alles gepasst: das Wetter, das Angebot, die Stimmung. (Foto: Falk Heller)

Zum Auftakt des Kulturfestivals hat sich ganz Freising in der heißen Innenstadt eingefunden. Die Stimmung bewegt sich irgendwo zwischen Ökobiergarten, Partyboot auf der Spree und feinem Chorkonzert

Von Rebecca Seeberg, Freising

"Das ist mein Sohn", erklärt die kleine Frau voller Stolz und deutet auf einen der zwei Männer, die in grünes Neonlicht getaucht hoch konzentriert das Mischpult bedienen. Wie diese elektronische Trommel heißt, die er da spielt, das weiß sie nicht - "aber gut ist's!" Anlässlich des ersten Abends des Zamma Festivals hat sich am Samstag scheinbar ganz Freising auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Ob Bierbänke, Bordsteinkanten oder Brückengeländer, alles lädt in dieser lauen Sommernacht zum gemütlichen Beisammensitzen ein. Wo kein Platz mehr ist, da rückt man zusammen, ganz nach dem Motto "Zamma".

Die Stimmung auf dem Marienplatz und in der Fischergasse bewegt sich irgendwo zwischen Ökobiergarten, Partyboot auf der Spree und feinem Chorkonzert. Mit einem Eis oder Bier aus der Region in der Hand und einem Häppchen des fairen Buffets im Bauch, schlendern die Besucher entlang der Moosach durch die Fischergasse, wagen einen Blick in die Jurte der Pfadfinder oder lauschen andächtig dem Chorkonzert auf dem Freisinger Marienplatz. "Elitäres, bourgeoises Gehabe, dem man sonst so oft auf Kulturveranstaltungen begegnet, gibt es hier nicht", sagt eine Besucherin. Man merkt einfach, dass die Bürger stolz sind auf ihr Zamma, denn das Festival wird hauptsächlich von ihnen selbst gestaltet.

Passend zu dem Zauber dieser lauen Sommernacht singt das Ensemble Cantabile über einen Abend im Serail - man meint schon fast das Zirpen der Grillen zu hören. Über Forte bis Piano, ja sogar Pianissimo, geben die Sänger unter der Leitung von Franz Burger die Bandbreite ihres Könnens zum Besten. Mit Zylinder und Seidenschal singt Solist Roland Weber dazu mit großartiger Gestik in Jopie-Hester-Manier.

Ein weiterer von Burger geleitete Chor hat an diesem Tag seine Premiere, der integrative Chor Insieme. Obwohl es sie erst seit vier Wochen gibt, lassen Klassiker des Chorrepertoires wie der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco oder Gabriellas Lied aus dem Film "Wie im Himmel" das Brummen der Stimmen auf dem Marienplatz verstummen. Melanie Holzer, die "wundervolle Melanie Holzer", wie Burger sagt, übernimmt den Solopart. In das stimmungsvolle Orange am Marienplatz fügt sich auch der Chor Lubnik aus Freisings Partnerstadt Skofja Loka. Als gehöre ihnen die Bühne alleine, verzaubern die in orangerot und schwarz gekleideten Sänger ihre Zuhörer mit slawischen Gesängen.

Anschließend beleuchtet der Künstler El Moviemento mit einer Audiovisuellen Installation den Marienplatz, bei der er das Rathaus durch verschiedenste 3D-Effekte zum fluoreszieren oder explodieren bringt. Am frühen Abend wird dann nach bayerischer Manier und mit großem Tamtam das Fischers Paradies in der Fischergasse eingeweiht. Dort, genau über der Moosach, schwebt eine begehbare Kunstinstallation, ein von Schülern und Bewohnern der Lebenshilfe unter Anleitung des Münchner Künstlers Fabian Vogl gestaltetes Schiff aus Holzbalken. Es soll an die Freisinger Stadtfischer erinnern, die hier, unterhalb des Dombergs, bis 1960 ihre Fische verkauften. Nachdem Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher die Planken für seetauglich befunden hat, wagen sich auch nach und nach die Besucher auf das Gestell. Nach einer frischen Brise suchen sie aber auch hier vergeblich.

Gleich gegenüber betrachtet eine Frau im roten Kostüm und mit einem großen Schlapphut auf dem Kopf aus dem Schatten eines Hauseingangs heraus das entschleunigte Treiben. Ein Grüppchen aus Mittfünfzigern sitzt auf einem Baum entlang der Moosach, trinkt, lacht und plaudert. Gleich daneben lässt eine ältere Dame im geblümten Sommerkleid zur Musik der zwei House und Techno DJs ihre Hüften kreisen, während hinter ihr ein paar rauchende Teenies auf dem Brückengeländer den fast sternlosen dunkelblauen Himmel betrachten - in dieser einen Nacht gibt es keinen Unterschied zwischen jung und alt.

Erst nach Mitternacht, als die Klänge der Chöre längst verstummt sind, und die drei Bäcker des Freisinger Brotbackhauses in der Kammergasse den Teig für den sonntäglichen Ansturm kneten, weicht die schwüle Hitze einer frühmorgendlichen Frische. Thema des Tages ist der internationalen Brotbacktag, für den Spezialitäten von allen fünf Kontinenten zubereitet werden - im Steinofen gebacken, versteht sich. Es herrscht gemütliche Betriebsamkeit in dem Häuschen. Der Großteil der Kundschaft wird wohl erst später am Tag eintrudeln, wenn Rausch und Müdigkeit verschwunden sind.

Bis spät in die Morgenstunden hinein sitzen die Freisinger Bürger am Samstag "zamm". Denn "da wo Menschen sind, da ist es warm", so ein junge Mann, der seiner Freundin einen Arm um die Hüften legt und sie genau in die Mitte des Getümmels bugsiert.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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