Vöttinger Bürgerforum löst sich auf:Die Arbeit ist getan

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Das Vöttinger Bürgerforum, das 39 Jahre vergeblich gegen den Bau Westtangente gekämpft hat, löst sich auf. Zu der letzten Versammlung kamen nur 16 der 43 Mitglieder.

Von Johann Kirchberger, Freising

Das Vöttinger Bürgerforum ist Geschichte. Eine Mehrheit der Mitglieder beschloss am Donnerstag im Gasthaus Lerner die Liquidation des 1977 gegründeten Vereins. Ziel des Bürgerforums sei gewesen, den Bau der Westtangente zu verhindern, sagte ein sichtlich frustrierter Wolfgang Reinhardt, der seit 1987 als Vorsitzender fungierte: "Das ist uns letztlich nicht gelungen, die Trasse ist im Bau."

Allerdings waren nicht alle der 16 erschienenen Mitglieder dafür, den Verein so sang- und klanglos aufzulösen. Zum einen, weil die Westtangente ja noch nicht fertig sei, zum anderen, weil es in Vötting noch andere Probleme gebe. "Wir haben keinen Bäcker und keinen Metzger, aber jede Menge Verkehr", meinte etwa Franz Then. Ohne das Bürgerforum gebe es keinen mehr, der sich für Vötting einsetze. Reinhardt dagegen befürwortete die Liquidation. Im Wesentlichen sei die Arbeit getan, sagte er. "Ganz erfolglos waren wir ja nicht", ohne Bürgerforum wäre vielleicht gar kein Tunnel gebaut und Vötting noch stärker verlärmt worden. "Und für wen sollen wir uns einsetzen", meinte Reinhardt auch angesichts der Tatsache, dass nur 16 von 43 Mitgliedern zu dieser "Schicksalsversammlung" gekommen waren. Vötting entwickle sich mehr und mehr zu einer Schlafstadt, stellte er enttäuscht fest, von einer Gemeinschaft wie früher sei nicht mehr viel zu spüren.

Gleichwohl stimmten zunächst sechs Mitglieder für ein Weitermachen, wodurch die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für eine Auflösung knapp verpasst wurde. Es fanden sich jedoch keine Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden, Reinhardt wollte nicht mehr. Auch alle anderen winkten ab. Es wurde noch einmal abgestimmt. Nun wollten nur noch vier Mitglieder den Fortbestand des Bürgerforums. Die Auflösung war beschlossen, als Liquidatoren wurden Reinhardt, Hans Lücht und Clemens Grundler bestimmt.

Zuvor hatte Reinhardt noch einmal die Arbeit des Bürgerforums Revue passieren lassen. 1995 sei der Planfeststellungsbeschluss ergangen, listete er auf. Man habe dann zwei profunde Gutachter engagiert, die am Verlauf der Westtangente kein gutes Haar gelassen hätten. Entsprechend zuversichtlich sei man vor das Verwaltungsgericht gezogen und habe auch gewonnen. Allerdings nicht wegen der Gutachten, sondern wegen der falschen Klassifizierung der Trasse. Die Stadt Freising sei in Revision gegangen, habe aber erneut verloren. Dann habe die Stadt neu geplant, neue Ingenieurbüros beauftragt, aber an Gutachter Kurzak festgehalten und sich erneut für die innere Trasse durch Vötting entschieden. Das Bürgerforum habe daraufhin von einem anderen Ingenieurbüro Alternativen erarbeiten lassen, aber die Stadt habe daran kein Interesse gehabt. Die städtischen Planer seien beauftragt worden, alle äußeren Varianten schlecht zu machen, glaubt Reinhardt, "ein Schmierentheater" sei das gewesen. Darüber hinaus sei eine Verlängerung des Tunnels an 300 000 Euro gescheitert. Nach dem Motto "Innenstadt hui, Außenbezirke pfui".

Weil die Stadt aus ihren Fehlern gelernt habe, sei die Trasse zur Kreisstraße aufgestuft worden. Dass hier ein Flughafenzubringer gebaut werde, sei jahrelang geleugnet worden. "Aber wenn es nicht so wäre, hätte es bestimmt keine Millionenzuschüsse gegeben." 2008 sei dann erneut ein Planfeststellungsbeschluss erlassen worden, und "2009 kam das Aus für uns, weil das Gericht unseren Argumenten nicht gefolgt ist". Auf eine Revision habe man wegen Aussichtlosigkeit und aus Kostengründen verzichtet.

Bei einem Bürgerentscheid habe sich 2013 eine Mehrheit der Bevölkerung für den Bau der Tangente entschieden. 2015 habe man zum "letzten Strohhalm" gegriffen und einen erneuten Bürgerentscheid angestrebt, um ein Moratorium bis zur Fertigstellung der Nordostumfahrung zu erreichen. Über 3000 Unterschriften habe man gesammelt, doch der Stadtrat habe abgelehnt, bedauerte Reinhardt, und von einem Prozess hätten "unsere Anwälte" aus Kostengründen abgeraten. Nun sei die Straße im Bau.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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