Vierbeinige Helfer:Archäo-Dog erschnuppert Knochen

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Saskia Kroepel und ihre Hündin Abby sind noch in der Ausbildung zum Achäo-Dog-Team. Nach dem Vortrag im Landratsamt zeigten sie den interessierten Zuschauern, wie man die Suche nach Jahrhunderte alten Knochen trainiert. Eine Geruchsprobe wird dafür in ein ansonsten steril gehaltenes Tee-Ei gelegt und dieses dann versteckt. (Foto: Marco Einfeldt)

Flintstone ist der bislang einzige geprüfte "Archäo-Dog" in Deutschland. Er kann Jahrhunderte alte Knochen in 2,50 Metern Tiefe erschnüffeln. Künftig könnten Archäologie-Hunde auch im Landkreis eingesetzt werden.

Von Kerstin Vogel, Freising

Das Bild von einem Hund, der genussvoll an einem Knochen nagt und ihn anschließend vergräbt, ist wohl so alt wie die Geschichte der Beziehung zwischen Menschen und ihren liebsten Haustieren. Dietmar Kroepel aus Otterfing aber hat der Sache vor einigen Jahren einen völlig neuen Dreh gegeben: Sein Hund, der den schönen Namen Flintstone trägt, sucht umgekehrt nach Knochen im Boden, allerdings nicht, um sie auszubuddeln und zu fressen. Flintstone ist ein "Archäo-Dog", ein Hund, der bei Ausgrabungen eingesetzt werden kann, um menschliche Knochen tief in der Erde aufzuspüren.

Der Archäologische Verein in Freising hatte Kroepel unlängst zu einem Vortrag ins Landratsamt eingeladen, weil man sich durchaus vorstellen kann, sich die Fähigkeiten so eines speziellen Spürhundes auf den Grabungsfeldern im Landkreis selber einmal zunutze zu machen, wie Vorsitzender Lorenz Scheidl sagte. Vorher aber wollte man hören, was genau es mit den Archäo-Dogs auf sich hat.

Tatsächlich ist Flintstone als geprüfter Archäologie-Hund bisher der einzige seiner Art in Deutschland. Dietmar Kroepel, der selber Archäologe und Kunsthistoriker ist, hatte den Altdeutschen Hütehund zunächst zum Rettungshund ausgebildet, musste mit dieser zeitintensiven Arbeit dann aber aus persönlichen Gründen aufhören. Dass er anfing, "Flint" bei Ausgrabungen helfen zu lassen, resultierte schließlich aus einem Scherz. Er habe den Hund einmal mit auf ein Grabungsfeld nach Italien nehmen müssen, erzählt Kroepel bei dem Vortrag in Freising. Ein Kollege habe ihn dann im Spaß gefragt, ob er jetzt schon den Hund die Knochen suchen lasse - da war die Idee geboren.

Wie man einem Hund das Suchen beibringt, das wusste Herrchen von der Rettungshundearbeit her schon. Recherchen im Internet förderten zusätzliche Erkenntnisse zu Tage, denn in den USA ist man bei der Ausbildung von Archäologiehunden schon etwas weiter. Als entscheidend erwies sich, dass diese vierbeinigen Helfer, anders als etwa Leichenspürhunde, nicht dem Verwesungsgeruch nachgehen sollen, sondern den Geruch von 600 bis 2500 Jahre alten Knochen aufspüren müssen. Zusätzlich müssen sie zwischen menschlichen und tierischen Knochen differenzieren können, damit sie bei der Arbeit auf einem Grabungsfeld nicht jedes tote Wildtier anzeigen.

Kroepel begann also, Flintstone die Unterscheidung verschiedener Gerüche beizubringen und konditionierte ihn schließlich erfolgreich auf sehr alte, menschliche Knochen. Was genau an alten Skeletten so speziell riecht, dass der Hund sie nicht mit "frischen" Knochen verwechselt, kann Kroepel auch nicht sagen: "Ich weiß nicht, wie es funktioniert, aber ich weiß, dass es funktioniert." Flintstone habe schon alte Knochen in bis zu 2,50 Metern Tiefe erschnüffelt, berichtet er, dabei spiele auch die Beschaffenheit des Bodens keine Rolle. Wo man die alten Knochen für das Training herbekommt? "Die besorgt man sich", sagt Kroepel grinsend.

Wenn das Team zu einem Grabungsfeld gerufen wird, dann lässt Kroepel seinen Hund erst einmal an einer langen Leine kreuz und quer suchen - so, wie es Flint gerade "zur Nase steht". Sobald das Tier etwas erschnüffelt hat, folgt eine "Anzeige"; im Fall von Flintstone bedeutet das, dass sich der Hund an der fraglichen Stelle hinlegt. Man könnte den Hunden auch beibringen, durch Bellen zu zeigen, dass sie etwas gefunden haben, nur nach dem Knochen buddeln dürfen sie eben nicht. Schließlich steht zu vermuten, dass der Vierbeiner Teile einer einstigen Nekropole gefunden hat, einer Begräbnis- und Weihestätte des Altertums und der Ur- und Frühgeschichte also.

Stattdessen wird der Hundeführer die fragliche Stelle markieren - und den Fund idealerweise später noch durch einen zweiten oder dritten Archäologiehund bestätigen lassen, bevor dann die Menschen mit dem Graben beginnen. Ein Suchhunde-Team für eine Ausgrabung sollte aus zwei bis drei Hundeführern mit ihren Vierbeinern bestehen, sagt Kroepel, schließlich müsse so ein Grabungsfeld nach der ersten "freien" Suche noch wissenschaftlich, Quadrant für Quadrant, abgesucht werden, und wenn es warm ist, brauchen die Spürnasen allerspätestens nach zwanzig Minuten eine Pause. "Bei Hitze zehn Minuten intensiv suchen, ist wie ein Marathonlauf bei Menschen", verdeutlicht Kroepel die Leistung der Tiere.

Sieben Hunde werden gerade zu Kollegen für Flint ausgebildet, die Rasse ist dabei ziemlich egal - nur arbeitswillig und gut motivierbar sollten die Tiere sein. Im Moment ist Kroepel dabei, dem Wesen der Archäologiehunde in Deutschland eine Struktur zu geben. Er hat die Archaeo-Dogs Bayern und den Bundesverband der Archäologie-Hunde Deutschland gegründet, viele Mitglieder gibt es allerdings noch nicht. Kroepels Ziel ist, eine bundeseinheitliche Ausbildung und die dazugehörige Prüfung zu etablieren, auch wenn er natürlich weiß, dass der Bedarf realistisch betrachtet nicht all zu groß sein wird. "Wir brauchen nicht 1000 solcher Hunde in Deutschland."

Ein paar zusätzliche einsatzfähige Teams wären dennoch schön, schließlich geht es bei Ausgrabungen, vor allem in künftigen Baugebieten, ganz oft auch um Zeit und Geld der Bauherren, die eine durch Hunde beschleunigte Arbeit der Denkmalpfleger meist begrüßen. Und: Inzwischen ist auch die Polizei auf Flintstones Fähigkeiten aufmerksam geworden und hat Hund und Herrchen schon zu ersten Testeinsätzen gebeten - für so genannte "Cold Cases", Fälle also, in denen ein Verbrechen vermutet wird, weil ein Mensch verschwunden ist, aber nie eine Leiche gefunden wurde.

Dietmar Kroepel und Flint haben auf Einladung des Landeskriminalamtes schon einmal nach einer nur 30 Jahre alten Leiche gesucht, weitere Suchaufträge folgten - und Kroepels Tochter Saskia will sich mit ihrer Hündin Abby nun auf diesen Zweig der Knochensuche spezialisieren, wie er erzählt. Geld aber ist damit, wie auch mit den Archäologie-Hunden, nicht verdient: Die Suche auf den Grabungsfeldern erfolgt ehrenamtlich, werden die Spürnasen von der Polizei gerufen, werden wenigstens Anfahrt und eventuell nötige Übernachtung bezahlt.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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