Verschlechterungen befürchtet:Sparzwang statt Förderung

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Behindertenwerkstätten sind gut ausgelastet, Sorgen bereitet den Betreibern das neue Bundesteilhabegesetz

Von David Holz, Freising/Erding

Knapp 35 000 Werkstattplätze für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung gibt es in Bayern. 400 davon stehen in den Isar Sempt Werkstätten (ISW) der Lebenshilfe in Freising und Erding zur Verfügung. Dort seien die Arbeitsschritte so gestaltet, dass auch schwer oder mehrfach Behinderte einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen können, sagen die Betreiber. Die hohe Auslastung belegt das offenkundig. Konfliktpotenzial bietet jedoch das neue Bundesteilhabegesetz.

Aktuell sind etwa 300 000 Erwachsene in den Mitgliedswerkstätten der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt, aufgeteilt auf zwei Bereiche: 30 000 sind im Berufsbildungs-, 260 000 im Arbeitsbereich tätig. 17 000 Personen haben eine so schwere Behinderung, dass sie einer besonderen Betreuung bedürfen und nicht im sozialversicherten Förderbereich beschäftigt werden. Laut Albert Wittmann, Geschäftsführer der ISW in Freising und Erding, sind die hiesigen Werkstätten mit 80 Prozent gut ausgelastet. Dieser Wert entspricht etwa dem bundesweiten Durchschnitt. In den Werkstätten in Freising und Erding haben alle 400 Beschäftigten eine geistige Behinderung. Zusätzlich hat etwas mehr als jeder Vierte eine physische Beeinträchtigung. Die Beschäftigten sind in verschiedenen Bereichen von der Druckerei über die Textilverarbeitung bis hin zur Gärtnerei tätig. Was Wittmann derzeit Sorgen bereitet, ist das Bundesteilhabegesetz, das im Dezember als erster Teil eines größeren Gesetzespaketes beschlossen wurde. Vordergründig solle es zwar für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung von Behinderten sorgen, tatsächlich verstecke sich dahinter aber ein Spargesetz, meint Wittmann. Die Kostensenkung stehe im Vordergrund, nicht die Selbstbestimmung der Behinderten, so eines der Argumente der Kritiker. Es müsse sicher gestellt werden, dass man den Betroffenen wegen Kürzungen nicht den Zugang zu Werkstätten verwehre, sagt Wittmann. In einer immer komplexer werdenden Welt bräuchten vor allem Menschen mit einer geistigen Behinderung das soziale Umfeld dort.

Mögliche alternative Arbeitsplätze entsprächen nicht den qualitativen Standards der Behindertenwerkstätten, betont zudem Katharina Glasl vom Einrichtungsverbund Steinhöring, zu dem auch die Werkstatt Fendsbacher Hof in Pastetten (Landkreis Erding) gehört. Der Einrichtungsverbund biete verschiedene Arbeitsplätze in Landwirtschaft, Gärtnerei, Schreinerei, in der Metallbearbeitung sowie Lohnaufträge an. Des Weiteren gebe es Außenarbeitsplätze in normalen Betrieben, in welchen die Behinderten zwei bis drei Wochentage mitarbeiten. In dem zweijährigen Berufsbildungsbereich des Verbunds bekämen die beeinträchtigten Menschen jedoch eine individuellere Förderung, sagt Katharina Glasl. Sie könnten dort Kurse besuchen und verschiedene Werkstätten und Berufe ausprobieren, um sich das Können anzueignen, das sie in den Werkstätten oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt brauchen. Zudem erhalten sie Angebote zur sozialen und psychologischen Entwicklung. Derzeit sind bei dem Einrichtungsverbund insgesamt 360 Menschen mit einer geistigen Behinderung sowie 60 körperlich beeinträchtigte Personen in Ebersberg.

Das Wichtigste sei, fasst Albert Wittmann zusammen, dass man den betroffenen Personen soziale und arbeitstechnische Möglichkeiten gibt, die ihnen gerecht werden.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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