Unterrichtsausfall:Lehrer dringend gesucht

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Engpässe gibt es vor allem an Grund- und Mittelschulen, erste Kurse stehen in Freising bereits auf der Kippe

Von Marlene Krusemark, Freising

Man hört es derzeit überall: Es herrscht Lehrermangel. Das bedeutet Unterrichtsausfall, Überstunden, gestrichene Kurse. In anderen Bundesländern wird schon versucht, pensionierte Lehrer mit finanziellen Anreizen wieder zurück in den Dienst zu holen, und auch in Bayern und Freising ist die Situation akut.

"Ich höre seit Wochen, dass die Schulen sich selber behelfen müssen", sagt Kerstin Rehm, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Mittlerweile würden schon Studenten des zweiten Semesters eingestellt und Klassen zusammengelegt, um Personal zu sparen. "Das wird als pädagogisch tolles Konzept verkauft." Qualitativ hält sie solche Kombi-Klassen zwar nicht für schlechter, sie stellten aber eine enorme Belastung für die zuständigen Lehrer dar. Diese haben in vielen Fällen mehr Arbeit zu stemmen. "Man trägt den Kindern und Eltern gegenüber nun mal eine Verantwortung. Da wiegt das pädagogische Ethos schwer, außerdem will keiner den Rektor im Regen stehen lassen."

Während Freisinger Gymnasien berichten, dass derzeit genügend Reserven zur Verfügung stünden und es bundesweit eher einen Überhang an Gymnasiallehrern gibt, ist die Situation an den Grund- und Mittelschulen gravierend. Karin Buchner, Schulleiterin der Paul-Gerhardt-Schule Freising bestätigt, dass es gerade nicht allzu rosig ausschaue. Nicht nur bezüglich des Personalmangels werde die Belastung der Lehrer immer höher: Neue Zusatzfelder zur Lehrtätigkeit wie Inklusion und die Betreuung von Flüchtlingen erforderten einen erheblichen Mehraufwand. Auch die diesjährige Grippewelle habe die eh schon unterbesetzten Lehrerzimmer nicht verschont.

Nach Auskunft des bayerischen Bildungsministeriums reagiert die Staatsregierung auf die Engpässe kurzfristig mit der Aufstockung mobiler Lehrerreserven und langfristig mit Zweitqualifizierungsmaßnahmen. So könnten Gymnasial- und Realschullehrer im Zuge einer Weiterbildung eine Lehramtsbefähigung für die Mittelschulen erwerben, knapp 900 Lehrer befänden sich gerade in einer solchen Maßnahme. Im Stich gelassen würden die Schulen nicht, betont Karin Buchner: "Man kann schließlich auch keine Lehrer backen, keine Menschen erfinden."

Das Gefühl, dass nicht genügend Neue nachkommen, hat allerdings auch Peter Neurohr von der Grundschule St. Lantbert in Lerchenfeld. Es müssten mehr Lehrer ausgebildet werden, sagt er, wobei er nicht wisse, ob es dann nicht in Zukunft wieder einen Überschuss gebe. Laut einer Sprecherin des Ministeriums wird jährlich der voraussichtliche Lehrerbedarf der nächsten Jahre ermittelt. Der Arbeitsmarkt ist allerdings höchst wandelbar und von verschiedensten gesellschaftlichen Faktoren abhängig, Angebot und Nachfrage bleiben oft unausgeglichen.

Tatsache ist, dass es aktuell große Probleme gibt. So berichtet Peter Neurohr, dass Lehrer seiner Schule, die in Elternzeit waren, früher in den Unterricht zurückkehren mussten, der Vorschulkurs sei gestrichen worden und die Zukunft der Kurs-AG Lesen stehe auf der Kippe.

Auch an den Sonderschulen herrscht akuter Mangel - Daniela Höhn, Leiterin des sonderpädagogischen Förderzentrums Freising macht sich dabei vor allem Sorgen um die sonderpädagogische Kompetenz. Auch am Förderzentrum wurden Lehrer anderer Schularten auf Vertragsbasis eingestellt. Dies sei zwar für die Vielfältigkeit gut, aber in Bezug auf die individuelle sonderpädagogische Beratung schwierig. Den Grund, warum es gerade nicht genügend voll ausgebildete Arbeitskräfte gibt, sieht Höhn nicht beim Gehalt, sondern eher bei der zu geringen Zahl an Studienabsolventen. Das Studium werde derzeit nur in München und Würzburg angeboten - zukünftig soll es aber auch an der Universität Regensburg eingeführt werden, wie Ministerpräsident Horst Seehofer ankündigte.

In Sachen Gehalt sieht Kerstin Rehm vom Lehrer- und Lehrerinnenverband aber den springenden Punkt, wenn es darum geht, den Beruf Grund- und Mittelschullehrer attraktiver zu machen. Sowohl Pädagogik als auch Didaktik seien an Grund- und Mittelschulen oft schwieriger als an Gymnasien. "Deshalb sollte bezüglich der Gehälter gleichgezogen werden." Vor allem wünscht sie sich aber, dass mal wieder Ruhe einkehrt im Bildungssystem. Was nämlich trotz allem nicht vergessen werden dürfe, sei das Kind. Das müsse schließlich im Mittelpunkt stehen - mit all seinen Bedürfnissen in einer zunehmend komplexer werdenden Welt.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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