Unbeschwerte Runde:Ein Lichtblick im schwierigen Alltag

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Einmal in der Woche treffen sich psychisch erkrankte ältere Menschen im Freisinger Caritaszentrum. Dort finden sie ein offenes Ohr unter Gleichgesinnten - und es wird viel gelacht

Von Gudrun Regelein, Freising

Es ist eine heitere Runde, die sich an diesem sonnigen Donnerstagnachmittag im Freisinger Caritaszentrum trifft. Die acht Senioren - sechs Frauen und zwei Männer - und ihre Gruppenleiterin Katharina Friederich scherzen beim Gedächtnistraining. "Die Stimmung ist immer gut, wir lachen viel", sagt eine Besucherin. Sie komme schon seit acht Jahren, "wir alle passen gut zusammen - und wir können uns austauschen, wenn wir Kummer haben", sagt sie. Denn die Gruppe ist nicht so alltäglich, wie sie wirkt: Zu den wöchentlichen Treffen kommen psychisch erkrankte ältere Menschen.

Die Gruppe gibt es schon sehr lange,seit etwa 20 Jahren, berichtet Doris Burghart-Kirsch von der gerontopsychiatrischen Fachberatung der Caritas Freising. "Wir haben Teilnehmer, die von Anfang an dabei sind." Die einmal in der Woche zu dem eineinhalbstündigen Treffen kommen, weil es in ihrem Leben ein Lichtblick ist. "Sie fühlen sich hier aufgehoben", sagt die Gruppenleiterin Katharina Friederich "Und sie finden hier - unter Gleichgesinnten - ein offenes Ohr, sie unterstützen sich gegenseitig."

Die Gruppe, die für maximal zehn Teilnehmer ab 65 gedacht ist, sei sehr lebendig, berichtet Doris Burghart-Kirsch: "Die Besucher sind zwar alt, aber sie haben es in vielen Jahren gelernt, mit ihrer Depression umzugehen." Sie hätten sich nicht nur arrangiert, sie seien ihre eigenen Experten geworden. "Sie gehen zum Psychiater, sind medikamentös eingestellt, wissen, was sie bei Krisen tun sollen", schildert sie. Die Teilnehmer seien offen für alles, würden alle Angebote mitmachen. Der feste Termin in der Woche sei ein Leuchtturm: "An diesem Tag muss man aufstehen, muss sich anziehen, sich fertigmachen und das Haus verlassen."

Die meisten machten sich auch auf den Weg, wenn es ihnen nicht gut gehe. "Das ist ein Termin in der Woche, zu dem ich kommen muss", sagt ein Besucher. Der weißhaarige Herr mit den traurigen Augen ist erst das dritte Mal dabei, "hier ist es lustig und unterhaltsam", sagt er.

Zwei verschiedene Gruppen bietet die Freisinger Caritas für psychisch erkrankte ältere Menschen an. Die Treffen werden durch eine Gruppenleiterin strukturiert: Erst einmal werden Übungen gemacht - beispielsweise Reaktionsspiele mit Bällen oder Atemgymnastik -, um den eigenen Körper wieder zu spüren. Danach wird gebastelt oder es gibt ein Gedächtnistraining oder Spielrunden - manchmal aber wird auch einfach nur geredet. Die Treffen böten einen geschützten Raum, um mit der chronischen Erkrankung "normal" umgehen zu können, sagt Doris Burghart-Kirsch.

"Die Stärke dieser Menschen ist das Wissen, mit ihrer Erkrankung leben zu können", auf sich aufzupassen - und dazu gehöre, in die Gruppe zu gehen. Die Krankheit sei das Gemeinsame, das Verbindende. "Hier muss man sich nicht erklären, hier sind alle Experten. Wenn beispielsweise jemand erzählt, dass er wieder komische Stimmen hört, ist niemand irritiert." So etwas gelte in der Gruppe als "erweiterte Normalität".

Dort entstand in den vergangenen Jahren eine Gemeinschaft: "Es wird sich umeinander gekümmert, beispielsweise nachgefragt, wenn jemand nicht mehr zu den Treffen auftaucht." Eigentlich, so sagt Burghart-Kirsch, sei die Gruppe eine Erfolgsgeschichte: "Wenn hier eine alte Dame im Blümchenkleid und mit onduliertem Haar auftaucht, die einen Weltkrieg überlebt hat, dann spricht das schon für sich." Oft wollten die Senioren zunächst gar nicht in die Gruppe, erzählt Doris Burghart-Kirsch noch. "Wenn sie dann aber erst einmal dabei sind, wollen sie nicht mehr weg."

Ansprechpartner für dieses Gruppenangebot der Caritas Freising ist Doris Burghart-Kirsch (Telefon: 0 81 61/53 87 950).

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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