Tassilo-Nominierung:Mit Musik in ein glücklicheres Leben

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Felix Hartl leitet die Musikgruppe für Suchtkranke. (Foto: privat)

Mit ihrer Musik verarbeiten die Suchtkranken ihre Leidensgeschichte, erste Auftritte sind bereits geplant. Nun ist die Gruppe "Merlin's Quest" von der Kontakt- und Begegnungsstätte Freising für den Tassilo-Preis nominiert.

Von Clara Lipkowski, Freising

Den Menschen ein Gemeinschaftserlebnis bieten und das Selbstbewusstsein stärken, das sei Ziel seiner Arbeit, sagt Felix Hartl, der eine Musikgruppe für Suchtkranke in Freising leitet. Für dieses Engagement sind er, stellvertretend für die Kontakt- und Begegnungsstätte (KOB) Freising, in der die Treffen stattfinden, und die Musiker selbst, nun für den Tassilo-Sozialpreis der Süddeutschen Zeitung nominiert. Der wird in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben.

Hartl arbeitet als leitender Sozialpädagoge seit mehr als sieben Jahren in der KOB mit Suchtkranken zusammen. Die Begegnungsstätte ist Teil des Münchner Suchthilfe-Vereins Prop, wurde 2009 in Freising gegründet und ist offen für alle Menschen, die suchtkrank oder suchtgefährdet sind. Täglich besuchen etwa 20 Menschen die Freisinger Einrichtung. "Die meisten sind alkoholkrank", sagt Hartl, außerdem seien viele vom Spielen oder von Medikamenten abhängig oder kaufsüchtig. "Ein kleiner Anteil der Besucher ist von illegalen Drogen abhängig." In der KOB könnten die Besucher unterschiedliche Dinge machen. Es gibt Kreativgruppen, in denen die Besucher malen oder basteln, regelmäßige Reitausflüge und Gesprächsmöglichkeiten. "Dreh- und Angelpunkt ist das Mittagessen", sagt Hartl, denn das sei allseits beliebt.

In basslastigen Stücken singt die Sängerin von Lebenserfahrungen

Da er als Jazzgitarrist selbst musikbegeistert ist, kam Felix Hartl irgendwann die Idee, eine Musikgruppe mit den Besuchern der Begegnungsstätte zu gründen. "Ich hatte noch ein Schlagzeug übrig", sagt er, das habe er dafür zur Verfügung gestellt. Mit einem Besucher, der unbedingt wieder einmal Schlagzeug spielen wollte, fing Hartl an zu musizieren. Nach und nach kamen weitere Interessierte dazu. So entstand vor vier Jahren die erste Band der KOB, mit sieben Musikern. Außer Hartl spielt noch die Sozialpädagogin Sarah Sohst mit, die anderen Mitglieder in irgendeiner Form abhängig. Inzwischen besteht eine Nachfolgeband, da sich die erste aufgelöst hatte, nachdem der Schlagzeuger nicht mehr spielen wollte.

"Merlin's Quest" ist inzwischen auch schon ein eingeschworenes Team: Die sechs Musiker schreiben alle ihre Texte selbst und Hartl komponiert die Stücke. Wöchentlich treffen sie sich zu Proben und feilen an ihrem Klang. In der Band sind außer Gesang, Gitarre und Schlagzeug auch Bass, Djembé und Conga vertreten. Die Musiker sind zwischen 30 und 60 Jahren alt. Auf einen Stil wollten sie sich aber nicht festlegen, sagt Hartl. Darüber stritten sie regelmäßig, es sei kein richtiger Jazz, Rock aber auch nicht. "Fusion" schlug einer der Gitarristen vor. In den basslastigen, manchmal melancholischen Stücken singt die Sängerin in Englisch und Deutsch von Lebenserfahrungen, Ängsten und dem Mut, weiter zu machen. Die Bezeichnung für die Art ihrer Musik sei aber nicht wichtig, sagt Hartl und betont, dass es darum gehe, dass die Musiker aus der gemeinsamen Aktivität neuen Mut schöpfen und den eigenen Leidensweg verarbeiten können. Die Musik biete eine ideale Möglichkeit, sich selbst auszudrücken und daraus Kraft zu schöpfen. Ihn freue es zu sehen, dass sich die Bandmitglieder auch musikalisch weiter entwickeln.

Auf die CD-Aufnahme hatte "Merlin's Quest" ein Jahr hin gearbeitet

Der vorläufige Höhepunkt des Projekts war die CD-Aufnahme, die in Zusammenarbeit mit dem Tonstudio Then in Freising realisiert werden konnte. Darauf hatte die Gruppe ein Jahr lang hingearbeitet und an einem Tag sechs Stücke eingespielt.

Für einen reduzierten Preis "kam der Johannes Then in unsere KOB und hat mit uns aufgenommen", sagt Hartl. Finanzieren konnte die Band die Aufnahme mit Hilfe des SZ-Adventskalenders. "Für die Aufnahme haben wir die ganze KOB ausgeräumt. Der Johannes hat dann Schallschutz an den Wänden angebracht, 32 Mikros aufgehängt und vor der Tür sein Mischpult aufgebaut." Einfach sei das Einspielen nicht gewesen, sagt Hartl, da es manchen Musikern schwer falle, sich über längere Zeit zu konzentrieren.

Das nächste Etappenziel ist es, die Stücke auf die Bühne zu bringen. Das sei für ein paar der Bandmitglieder sehr schwierig, weil sie Lampenfieber und Angst vor Blackouts haben, sagt Hartl. Der Herausforderung wollen sie sich aber dennoch stellen. Dafür hat er mit dem Freisinger Café Schlüter vereinbart, in wenigen Wochen eine Release-Party zu veranstalten. Er freue sich sehr über die Nominierung für den Tassilo-Sozialpreis, sagt Hartl. Auch ein Ehrenpreis wäre toll, um einfach mehr Beachtung für das Projekt zu erhalten. Für ein mögliches Preisgeld aber hätte Hartl schon eine konkrete Verwendung: Die Band benötigt dringend einen neuen Gitarrenverstärker.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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