Streik bei der Post:Hier trägt der Chef selber aus

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Seit dem 8. Juni streiken die Postboten und Paketzusteller. Aber nicht überall. In einigen Bezirken wird weiter zugestellt. (Foto: Marco Einfeldt)

Aktuell trifft der unbefristete Streik der Briefträger Freising, Allershausen und besonders Attenkirchen. Die Post setzt Beamte und Leiharbeiter ein - und kann trotzdem nicht alle Bezirke abdecken.

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Seit dem 8. Juni befinden sich Briefträger und Paketboten der Deutschen Post im unbefristeten Streik. Im Landkreis Freising hat es bis jetzt die Stadt Freising, Attenkirchen und Allershausen getroffen. Zu 100 Prozent wird zwar kein Zustellpunkt bestreikt, aber Andreas Faltermaier, Verdi-Vorsitzender des Postleitzahlenbereichs 84 und 85, ist dennoch sehr zufrieden mit der Streikbereitschaft, "die weiterhin ungebrochen ist", wie er sagt. "Auch, wenn die Zusteller schon mit ihren Kunden fühlen und sie ihnen leid tun, aber es geht um unsere Existenz."

Severin Martin, Leiter der Postniederlassung am Flughafen, zu der Freising gehört, sieht das anders: "Keiner, der einen unbefristeten Vertrag hat, muss sich Sorgen machen. Das ist eine Drohgebärde Verdis." Er ärgert sich vor allem darüber, dass der Konflikt letztlich zum Schaden der Kunden ausgetragen wird.

Paketboten erhalten nicht den Haustarif, sondern werden nach niedrigeren Verträgen bezahlt

Gestreikt wird nicht wegen des Geldes, sondern wegen des Aufbaus von regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung, bei denen bislang rund 6000 Paketboten nicht nach dem Haustarif der Post, sondern nach oft niedrigeren, regionalen Tarifverträgen der Logistikbranche bezahlt werden, wie Verdi sagt. "Heute sind es die Paketzusteller, nächstes Jahr die Briefzusteller", befürchtet Faltermaier.

Besonders die Attenkirchener sind vom Streik derzeit betroffen. Neun der elf Zusteller streiken dort, wie der Gewerkschafter berichtet. In Allershausen und der Stadt Freising betrage die Quote der Streikenden zwei Drittel. Betroffen sei aber auch das Briefzentrum am Flughafen München, das auf dem Gebiet des Landkreises Freising liegt, mit mehr als 200 Streikenden, so Faltermaier. Wenn noch Post zugestellt werde, geschehe dies durch verbeamtete Kollegen oder Streikbrecher, für die aber der Verdi-Sprecher durchaus Verständnis hat: "Es sind meistens Kollegen mit befristeten Verträgen, die Angst haben, ihren Job zu verlieren."

Wenigstens einmal in der Woche soll Post ankommen

Bei der Post ist man mittlerweile bemüht, zumindest einmal die Woche zuzustellen, wie Niederlassungsleiter Martin sagt. Er war am Mittwoch selber in Unterschleißheim unterwegs, um Briefe auszutragen. Da nur ein Teil der Austräger zur Verfügung stehe, könnten jedoch nicht alle Zustellbezirke versorgt werden. Deshalb könne es sein, dass die Bewohner einer Straße Post erhielten, die in der Parallelstraße lebenden Bürger aber nicht.

In Freising seien beispielsweise zwölf der 35 Bezirke betroffen, in Attenkirchen zwei von acht. Die noch arbeitenden Kollegen könnten aber nicht gezwungen werden, weitere Bezirke zu übernehmen. Derzeit sei man dabei, die alte Post zu verteilen, damit diejenigen, Kunden, die bisher am stärksten betroffen seien, wieder Briefe erhalten. "Das geht nur in Etappen und ist mühsam. Aber wir sind mit Hochdruck dabei", sagt Martin. Bisher sei es möglich gewesen, alles, was nicht ausgetragen werde, vor Ort in den Postverteilerstellen unterzubringen. Externe Lager benötige man nicht. In 70 Prozent der Zustellbezirke in seinem Bereich erreiche man auch weiterhin das Ziel "Einwurftag +1". Auch dank Aushilfskräften, die weiterhin - gerade wegen der kommenden Ferien - gesucht werden. Dann sinke zudem traditionell das Postaufkommen, was auch helfe, die Situation zu entspannen, hofft Martin.

"Zusteller werden teilweise aggressiv angegangen"

Weniger Verständnis hat Faltermaier für Leiharbeiter und die Sonntagszustellung. Bei ersteren handele es sich oft vor allem um Rumänen, "die kein Wort Deutsch können" und vor allem in den Briefzentren eingesetzt würden, nicht aber bei der Zustellung. Ob das legal ist, bezweifelt der Gewerkschafter. "Wir haben Verhältnisse wie im Wilden Westen", sagt er. Immerhin habe man zuletzt keine weiteren Zustellungen am Sonntag registriert.

Schade findet er, dass viele Bürger gar nicht wissen, um was es bei dem Streik geht. Die Folge: "Die Zusteller werden teilweise sehr aggressiv angegangen. In Postkleidung laufen deshalb viele nicht mehr herum." Niederlassungsleiter Martin hat auch schon den einen oder anderen erbosten Bürgermeister erleben müssen. Unterdessen gibt es eine neue Chance auf eine Einigung: Am Freitag, 3. Juli, gehen die Verhandlungen zwischen Post und Verdi weiter. Sollte es zu keinen konstruktiven Gesprächen kommen, kündigt Andreas Faltermaier schon Konsequenzen an: "Als nächstes nehmen wir dann Eching in den Streik auf."

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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