Sommerreise übers Land:Nur die Religiosität hat Bestand

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Früher war Hebrontshausen wie viele andere kleine Orte in der Hallertau von der Landwirtschaft geprägt. Heute gibt es dort nur noch einen einzigen Hopfenbaubetrieb. Und die letzte verbliebene Wirtschaft ist nicht etwa eine Bier-Kneipe, sondern eine Weinstube

Von Verena Bracher, Hebrontshausen

Ein riesiges Fest ist es gewesen und Hunderte von Menschen waren 1983 nach Hebrontshausen gekommen, als dort Hannelore Huber das erste Weinfest ausrichtete. "Davon reden die Leute heute noch", sagt sie. Mittlerweile haben viele Nachbarorte eigene Weinfeste und der Besucheransturm ist nicht mehr so groß - doch das Weinfest der Weinstube Huber ist immer noch ein Höhepunkt im Jahreslauf der Hebrontshausener.

Als Hannelore Huber vor mehr als 45 Jahren nach Hebrontshausen einheiratete, führten die Hubers einen klassischen landwirtschaftlichen Betrieb. Wenn man die Dorfstraße entlang fährt, kann man noch viele der alten Bauernhöfe dieser Zeit erkennen. Von einem alten landwirtschaftlichen Lagerhaus im Dorfzentrum blättert bereits die rote Farbe ab. Darin waren früher Düngemittel eingelagert worden, jetzt steht es schon lange leer. Ein paar Meter weiter plätschert der Hännerbach durch den Ort. Viele Landwirte haben die Betriebe aufgegeben und auch für die Hubers hatte sich die Arbeit auf dem Hof nicht mehr ausgezahlt. Der alte Schweinestall ist jetzt eine Gaststube, draußen sind Tische und Bänke aufgestellt und im alten Hopfenstadl werden Hochzeiten gefeiert.

Niemand glaubte daran, dass sich ein solches Lokal in Hebrontshausen halten würde, als Hannelore Huber 1987 ihr Probierstüberl eröffnete. "Alle haben gedacht, nach drei Jahren machen wir wieder zu", erzählt die Wirtin. Aber es kam anders. Das Sortiment erweiterte sich, die alte Schmiede nebenan wurde zur Weinhandlung umgebaut und Sohn Florian begann die Gäste mit Wildbraten und Spargelgerichten zu bewirten. Mit den Jahren wurde die mit Fichtenholz ausgekleidete Gaststube der Weinstube Huber zu einem Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. In einer Nische ist eine Marienfigur aufgestellt, daneben brennt eine Kerze. Im Hof des Wirtshauses ragt der Maibaum in den Himmel. Eines seiner Schilder zeigt das Symbol des Krieger- und Soldatenvereins Hebrontshausen, die Weinstube Huber ist das Vereinslokal. Florian Huber ist selbst in jedem örtlichen Verein Mitglied. Das gehört sich so als bayerischer Wirt", sagt er. Von Kindheit an war er bei der Freiwilligen Feuerwehr dabei, ministrierte in der Dorfkirche und pflegte eine persönliche Beziehung zu den Dorfbewohnern. "Man kennt praktisch jeden im Dorf."

Eine alte Postkarte zeigt Hebrontshausen im Jahr 1900: Neben fünf spitzen Bäumen ist das alte Schulhaus zu erkennen. (Foto: oh)

Gegenüber der Weinstube Huber wohnt Katharina Schinagl, die amtierende Vizehopfenkönigin der Hallertau. Ein Gefühl von "Heimat" kommt für sie dann auf, wenn sie von weither die elterliche Hopfendarre sieht, erzählt sie. Es ist der einzige Hof, der sich von den vielen Hopfenbauern von früher noch gehalten hat. Zwei Lebensmittelläden hatte das Dorf damals, eine Tankstelle, einen Friseur und ein eigenes Schulhaus mit zwei Klassenräumen, in denen alle Kinder bis zur achten Klasse unterrichtet wurde. Jetzt sind in den meisten Gebäuden Wohnungen zu finden. "Es gab einen Strukturwandel, wie bei vielen der ähnlich großen Dörfer", erzählt Hans Neumaier. In den vergangenen Jahren hat er sich viel mit der Geschichte seines Geburtsortes beschäftigt. Anfang der 90er Jahre sei ein Neubaugebiet erschlossen worden und die Landwirtschaften wären verschwunden. Viele jungen Familien seien in das Dorf gezogen, um von dort nach München in die Arbeit zu pendeln. Die Einwohnerzahl kletterte auf mehr als 200, trotzdem lösten sich viele Handwerkerbetriebe auf. 2009 schloss auch der Dorfwirt seine Türen, nur die Weinstube Huber blieb.

Etwas hatte auch in den Zeiten des Wandels Bestand: die tiefe Religiosität in der Gemeinde, die schon im Ortsnamen erkennbar ist. Hebron ist eine Stadt in Palästina, in der das Grab von Abraham zu finden sein soll. In Hebrontshausen gibt es viele religiöse Traditionen, die noch immer gelebt werden. Jeden Sonntag wird in der Dorfkirche ein Gottesdienst abgehalten. Im vergangenen Jahr hat Pater Maximilian aus dem Paulinerorden Mainburg die Gemeinde betreut und die traditionelle Prozession Anfang August angeführt, mit der die Hebrontshausener "Maria Schnee" feiern.

In dem Wäldchen rechts von der Kirche liegt die Mariengrotte versteckt. (Foto: privat)

Etwa 300 Jahre ist es her, so schätzt Pater Maximilian, dass sich in der Gemeinde Männer zusammengetan haben, um unter dem Namen "Maria Schnee" eine Bruderschaft zu gründen. Dabei habe es sich um eine Art soziale Einrichtung gehandelt, die mit der heutigen Caritas vergleichbar wäre. Die Mitglieder bezahlten Beiträge und unterstützten damit andere, die sich einer Notlage befanden. Bei der alljährlichen Prozession gedachten sie ihrer Verstorbenen, nahmen neue Mitglieder auf und, so munkelt man im Ort, betrieben einen Ablasshandel. Hans Neumaier hat die Prozessionen schon als Kind erlebt: "Da gab es Stände mit Schaumrollen, einem süßen Gebäck. Das war das höchste für uns Kinder." 1999 wurde ein neues Pfarrheim gebaut, das sich zum Zentrum des Dorflebens entwickelt hat und der örtlichen Theatergruppe Raum bietet. Daneben thront auf dem Hügel die alte Kirche, eine kleine Treppe führt ein paar Meter weiter zu einer Mariengrotte. Sie war 1955 errichtet worden, doch dann hatte sich lange Zeit niemand darum gekümmert. Schließlich pachtete Bertha Schauer das Gelände und restaurierte die fast lebensgroße Marienstatue. Seitdem besuchen viele Sonntagsspaziergänger die Grotte. Immer am Tag der letzten Maiandacht wird außerdem eine Lichterprozession dorthin abgehalten, auch das ist ein alter Brauch. "Das war schon immer sehr feierlich", erzählt Schauer. Im Kerzenschein würden dann die Stufen zur Grotte erklommen, die Ministranten in weißen Gewändern voraus.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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