Slackliner Lukas Irmler:Balanceakt auf dem Gummiband

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Der Freisinger Lukas Irmler gehört zu den besten Slacklinern der Welt: Wer bei der neuen Trendsportart hoch hinaus will, sollte niedrig anfangen.

Caroline Ischinger

Hoch konzentriert blickt Lukas Irmler Richtung Ahornbaum. Die Arme hat er wie Flügel ausgebreitet, seine Füße wippen gleichmäßig im Takt auf der etwa kniehoch gespannten Slackline. Plötzlich nimmt der 22-Jährige Schwung, wirft seine Beine in die Luft, zum vollendeten Rückwärtssalto. Nur die Landung will diesmal nicht ganz gelingen, das ist wohl der Vorführeffekt: Lukas Irmler kommt neben dem Band zum Stehen, auf dem weichen Boden in der Nähe des Fußballplatzes in der Savoyer Au. "Was ist denn los?", fragt der Chemie-Student etwas irritiert.

Slackliner
:Balanceakt auf dem Gummiband

Slacklining ist die Trendsportart des Sommers. Dabei geht es um mehr als nur darum, das Gleichgewicht zu halten. In Bildern.

Solche kleinen Ausrutscher - im wahrsten Sinne des Wortes - kommen bei Lukas Irmler eher selten vor. Der Freisinger gehört zu den besten Slacklinern der Welt, belegte erst kürzlich bei den "Natural Games" in Milau hinter dem Amerikaner Mike Payton den zweiten Platz. Seit vier Jahren trainiert Lukas Irmler bereits auf der Slackline - einem Gurtband, das üblicherweise zwischen zwei Baumstämmen befestigt wird. Die Trendsportart kommt, wie so viele neue Sportarten, von jenseits des Atlantiks, aus den Vereinigten Staaten. Dort wurde sie Anfang der 80er Jahre von Kletterern in Nationalparks entwickelt. Denn die Schritte und Sprünge auf dem Band schulen den Gleichgewichtssinn der Höhensportler. Auch hierzulande wächst die Zahl der Anhänger beständig.

"Man kann sich extrem steigern und merkt wahnsinnig schnell Erfolge", antwortet Lukas Irmler auf die Frage, was ihn am Slacklinen so reizt: "Am Anfang konnte ich noch nicht mal aufstehen." Wer selbst bereits ein paar Schritte auf dem Gurtband probiert hat, weiß, was der Profi damit meint: Denn die Slackline zittert ganz gewaltig unter den Füßen, sobald sich das Gewicht des Balancierenden auch nur ein wenig verlagert. Im Gegensatz zum klassischen Seiltänzer muss der Slackliner also stets seine eigenen Bewegungen ausgleichen.

"Man muss sich einen Fixpunkt suchen, dann wie beim Skifahren leicht in die Knie gehen, dabei die Arme rechts und links ausbreiten. Und dann wird geübt", erklärt der 21-jährige Bernhard Röttgers, der zusammen mit Lukas Irmler über den Klettersport aufs Band gekommen ist. Kaum hat er seinen Satz zu Ende gesprochen, läuft er auch schon los Richtung Seil, übt den Radschlag und einen Sitz namens "Double Drop Knee".

Für die nötige Abwechslung ist beim Slacklining gesorgt. Die klassische, eher niedrig gespannt "Trickline" eignet sich vor allem für das Einstudieren akrobatischer Kunststücke, also für "den Spaß an der Bewegung", wie es Bernhard Röttgers nennt. Die "Longline" hingegen, sagt er, sei "eher meditativ". Ziel bei dieser Variante ist es, eine möglichst lange Strecke zu balancieren. Lukas Irmler legte kürzlich bei einem Wettbewerb in Graz erstaunliche 231 Meter zurück - das ist Weltrekord, jedenfalls auf Standardmaterial. Auch mit der "Highline" ist er bestens vertraut. Ein solches Seil - freilich nur für Erfahrene mit Sicherungsgurt geeignet - ist noch am Freisinger Hofbrauhauses gespannt, wo Irmler beim Jubiläumsfest Tricks und gekonnte Stürze zeigte.

Wer irgendwann auch so hoch hinaus will, sollte besser niedrig anfangen. Für die Standardausrüstung muss man erfreulicherweise auch kein Krösus sein: Sets mit Seil, Schlingen und Baumschonern sind bereits von 30 Euro an erhältlich. Die Baumschoner - eine Art Gummi-Teppich - werden zwischen Stamm und Seil geklemmt, um die Rinde vor Rissen oder Quetschungen zu schützen. Auch Lukas Irmler und seine Freunde machen von einer solchen Matte Gebrauch. "Es ist wichtig, dass da jeder aufpasst", sagt Irmler.

Manchen Naturschützern geht das allerdings nicht weit genug. In Köln, Stuttgart und Karlsruhe ist der Trendsport inzwischen sogar verboten. Der Freisinger Kreisgeschäftsführer des Bundes Naturschutz, Manfred Drobny, gibt sich hingegen gelassen: Er sieht beim Slacklining kein spezielles Problem, wenn die Baumrinden geschützt werden. "Wir wollen schon, dass die Leute rausgehen und die Natur genießen. Deshalb sollte man nicht alle Sportarten verbieten", sagt er. In Naturschutzgebieten sollten die Slackliner - wie alle anderen Sportler auch - ihr Training allerdings unterlassen. Für die Stadt Freising ist das Slacklining auf öffentlichen Plätzen ebenfalls "grundsätzlich kein Problem", heißt es - solange sachgerechte Polster verwendet und die Seile nach der Nutzung entfernt würden. Sonst könnten die Slacklines zu "Stolperfallen" werden oder für Ungeübte ein Unfallrisiko darstellen.

Meist seien die Passanten begeistert, sagt Irmler: "Vor allem, wenn man ihnen anbietet, das auszuprobieren. Mir macht es Spaß, es zu zeigen." Im Herbst wird Irmler bei der VHS wahrscheinlich einen Slackline-Kurs anbieten - neben seinem Chemie-Studium an der TU München. Für das eigene Training hat er sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Er möchte den doppelten Rückwärtssalto schaffen und die Quote gestandener Saltos erhöhen. Gesagt, getan: Irmler zupft sein gelbes Haarband zurecht, schwingt sich auf die Slackline, springt ab, dreht sich in der Luft - und steht auf dem Seil. "Besser", sagt er leise und lächelt.

© SZ vom 22.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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