Prozess:Missbrauch im Studentenwohnheim

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Schlafende Frau wird in ihrem Zimmer von einem Partygast attackiert. Er ist geständig und erhält eine Bewährungsstrafe.

Von Alexander Kappen, Freising

Eine Nacht im September 2016. In einem Freisinger Wohnheim feiern Studenten eine ausgelassene Party. Es fließt Alkohol. Und dann läuft das Ganze aus dem Ruder. Ein heute 25-jähriger Mann aus Neumarkt, der früher selbst in Freising studiert hatte, geht ins Zimmer einer ihm unbekannten, bereits schlafenden Party-Teilnehmerin und missbraucht sie. Als die Studentin aufwacht und dem Fremden sagt, er solle damit aufhören, verlässt er umgehend ihr Zimmer. Die junge Frau erscheint anschließend ganz aufgelöst in den Partyräumen und berichtet von dem Vorfall. Andere Studenten stellen den Beschuldigten und rufen die Polizei.

Am Dienstag verurteilte das Freisinger Amtsgericht unter Vorsitz von Richter Manfred Kastlmeier den voll geständigen, nicht vorbestraften und zur Tatzeit stark alkoholisierten Täter in einer Schöffensitzung wegen sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen zu einer eineinhalbjährigen Gefängnisstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der 25-Jährige muss zudem 2000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung als Geldauflage zahlen und an einer Sexualberatung teilnehmen. Das Urteil basierte auf einem sogenannten "Deal" zwischen Gericht, Staatsanwältin und Verteidiger.

Im Anschluss an ein Rechtsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Beginn der Verhandlung räumte der Angeklagte über seinen Verteidiger die Tat vollständig ein. Das Gericht stellte ihm dafür eine Bewährungsstrafe zwischen einem Jahr und drei Monaten und zwei Jahren in Aussicht. Dieses Angebot einer vergleichsweise milden Strafe mache man dem Angeklagten wegen der ganz besonderen Umstände des vorliegenden Falls, so der Richter. Die Staatsanwältin beantragte in ihrem Plädoyer ein Jahr und neun Monate auf Bewährung, der Verteidiger des 25-Jährigen eine Strafe "im unteren Bereich dessen, das in unserem Rechtsgespräch als Korridor festgelegt worden ist".

Das Tatopfer versuchte in der Verhandlung, sich "als starke Frau" zu geben, wie der Richter sagte. Sie berichtete, nicht in psychologischer Behandlung und in ihrer Lebensführung nicht eingeschränkt zu sein. Zwar habe sie Schlafstörungen und zum Teil Angst, aber die könne sie nicht näher begründen, "weil ich sie einfach so hinnehme". Als der Angeklagte sich bei ihr in der Verhandlung entschuldigte, brach die 26-Jährige jedoch in Tränen aus. "Einfach in ein fremdes Zimmer gehen, das ist unter aller Sau, man kann nicht einfach zu einem Mädel gehen und sich bedienen, das ist doch kein Selbstbedienungsladen", sagte sie.

Auch dem Richter stieß es nach eigener Aussage "sauer auf, dass man sich nicht mehr beruhigt in sein Zimmer zurückziehen kann, ohne dass ein Besoffener kommt und sich einfach nimmt, was er will". Es handele sich nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch "einen Einbruch in die Privatsphäre". Die "Belastung, die bei der jungen Frau weiterhin besteht, war heute deutlich zu sehen", so der Richter. Er führte jedoch auch deutlich aus, warum hier ein minder schwerer Fall angenommen und eine Bewährungsstrafe verhängt werden könne. Der Angeklagte sei erheblich alkoholisiert gewesen, "Rückrechnungen ergaben einen Wert von über 2,2 Promille". Auch Spuren von Cannabiskonsum wurden beim Täter festgestellt. Der Missbrauch sei in "einem relativ kurzen Zeitraum und in Anführungszeichen nur mit zwei Fingern" erfolgt.

Für den Angeklagten spreche auch das durch DNA-Spuren gestützte Geständnis. Für die Bewährung sei zum einen die positive Sozialprognose wichtig. Der Angeklagte sei "nicht vorbestraft, er hat einen Job, lebt in einer festen Beziehung und will demnächst heiraten". Durch die genannten besonderen Umstände weiche die Tat zudem von den üblichen Fällen ab. Und es bestehe "nicht die Gefahr, dass die Bevölkerung nicht mehr ruhig schlafen kann, wenn wir bei diesem Delinquenten den Vollzug nicht anwenden.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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