Prominenter Redner:Flott und provokant unterwegs

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Jürgen Hauser, Andreas Mehltretter, Ewald Schurer, Ralf Steger und Peter Warlimont (von links). (Foto: Marco Einfeldt)

Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner zählt in Langenbach zehn Thesen für eine gerechte Gesellschaft auf

Von Karlheinz Jessensky, Langenbach

"Hört bitte die Diskussion um Siegmar Gabriels Kanzlerkandidatur auf!" Der innige Wunsch des SPD-Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer erreicht Ralf Stegner zu dessen Abschied aus der SPD-Versammlung in Langenbach, wo er flott und provokant über soziale Gerechtigkeit gesprochen hat. Und Stegner hat keine Lust, sich in die Wortmeldungen der vergangenen Tage des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil oder dessen brandenburgischen Kollegen Dietmar Woidke einzureihen. "Lass`ma ihn zufrieden", sagt er knapp.

Der gewiefte Rhetoriker aus Schleswig-Holstein zu Gast bei einem oberbayerischen SPD-Ortsverein in der tiefsten Provinz? Ja, doch. Der Ortsverein feiert heuer sein 50-Jähriges, und der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und schleswig-holsteinische Landesvorsitzende ist auf dem Weg zu seinen Münchner Genossen. Und der führt eben über Langenbach. Deshalb der merkwürdige Termin für die Versammlung: 17:45 Uhr steht auf den Einladungen, auf denen Stegner als mitunter provokant, aber jederzeit fundiert angekündigt wird. Allein aus der Einladungszeit ist da abzulesen, dass da einer flott und unter Druck unterwegs ist. Natürlich klappt es nicht mit dem exakten Beginn, denn Stegners Flieger hat Verspätung, und so darf Schurer, der den Wahlkreis Freising betreut, in die Bresche springen. Gekonnt - nach einer knappen halben Stunde könnte das der berichtenswerte Teil des Vorabends gewesen sein. Zu so einem krummen Termin sei er in seiner langjährigen Abgeordneten-Zeit noch nie eingeladen gewesen, sagt Schurer und lobt die Bundestagskandidatur von Andreas Mehltretter. Das Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl werde deutlich besser sein als beim letzten Mal, tröstet der Platzhirsch den Newcomer. In der Großen Koalition mache die SPD den Fehler, nicht herauszustellen, was denn jeweils die Original-Position der SPD sei. "Das ist ein Mangel an Selbstbewusstsein." Und zum Schluss "mal was Positives über Gabriel": Dieser habe recht, dass man einen Sozialstaat nicht aus der hohlen Hand heraus machen könne. Szenenapplaus gibt es viel, beim geringsten Klatschen fällt ein Schoßhündchen einer Besucherin mit heftigem Gekläff mit ein, was als Zustimmung für einen gelungenen Satz gewertet wird.

Dann kommt der Langerwartete und er macht es kurz. Der Flieger sei sehr ruppig gewesen, "ganz anders als mein Stil". Hundegebell. Politik tauge nur was, wenn sie das Leben der Menschen besser mache, zitiert er Willy Brandt. Zehn Thesen für eine gerechte Gesellschaft führt Stegner auf: gute Arbeit, Bildung, eine gerechte Familienpolitik. Dann eine Rente als Ertrag der Lebensleistung, nicht als Sozialleistung nach Kassenlage, eine solidarische Bürgerversicherung als Ende der Zwei-Klassen-Medizin. Die Verteilungsgerechtigkeit, eine freie und gleiche Gesellschaft, der entschlossene Kampf gegen die Feinde der Demokratie, Europa als Wertegemeinschaft und die globale Gerechtigkeit hat Stegner auf dem Schirm. Am Ende viel Applaus und Gebell.

Doppelt so lang dauert die Diskussion, auf die Stegner besonderen Wert legt. Der Genosse Klaus Reichel aus Moosburg gibt sich enttäuscht, dass Stegner nicht Generalsekretär geworden sei, derzeit habe man "nur Schlaftabletten". Stegners Fernsehauftritte beglückten ihn geradezu, sagt Reichel. Der Gelobte gibt sich gelassen: Auch als stellvertretender SPD-Vorsitzender könne er die CSU ärgern. Man brauche zwar ab und zu ein paar Angriffsspieler, aber spielentscheidend sei, dass es gemeinsam auf ein Tor gehe. Ansonsten geht es querbeet durch die sozialdemokratischen Gefühlswelt. Die Butterbrezen, die sich Ralf Stegner - weil es ja in Flugzeugen kaum noch was zu essen gibt - gewünscht hatte, liegen noch vor seinem Rednerplatz, als seine Vorstellung zu Ende ist. Sie dienen als Wegzehrung für den Schlussspurt nach München.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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