Nach mehr als 20 Jahren:Neuer Kurs für die Clemensänger

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Ein Lebensmittelgroßhändler will in dem Freisinger Gewerbegebiet ein Logistikzentrum errichten. Bisher war man sich im Stadtrat einig, dass man so etwas dort nicht haben will. Doch nun zeichnet sich ein Sinneswandel ab.

Von Kerstin Vogel, Freising

Der Lebensmittelgroßhändler Transgourmet möchte auf Freisinger Flur ein Logistikzentrum zur Lagerung und Weiterverteilung von Lebensmitteln bauen und hat dafür sechs Hektar im Ostteil der Clemensänger im Visier. Mit dem für das Gewerbegebiet geltenden Bebauungsplan, der auf einen Wettbewerb aus dem Jahr 1993 zurückgeht, wäre ein Vorhaben in der geplanten Größenordnung nicht umsetzbar.

Der Planungsausschuss des Stadtrats hat deshalb am Mittwoch mit 7:3 Stimmen einer Änderung des Bebauungsplans für dieses Vorhaben zugestimmt - auch wenn sich die Stadt damit von ihrem Konzept für die Clemensänger verabschiedet.

Dieses Konzept, das der Bebauungsplan widerspiegelt, sieht hier im Süden der Stadt eine eher kleinteilige "gebaute Landschaft" aus Gewerbebetrieben der verschiedensten Sparten vor.

Idee und Entwurf stammen von dem Amsterdamer Architekten Herman Hertzberger, der vor mehr als zwanzig Jahren den städtebaulichen Wettbewerb für die Clemensänger gewonnen hat: mit einer Gebäudelandschaft, deren begrünte Dächer sich zu einem künstlichen Hügel formen sollten, darunter unterschiedliche Nutzungen - zuallerletzt aber für die großen Logistikbetriebe, die nach der Eröffnung des Münchner Flughafens 1992 in die Region drückten und die man in Freising wegen der Folgelasten nicht haben wollte.

Transgourmet ist nun genau so ein großer Logistiker und die simplen Daten des Bauvorhabens, die im Planungsausschuss präsentiert wurden, zeigen, dass die Grenzen der "gebauten Landschaft" gesprengt würden: eine Lagerhalle mit 25 000 Quadratmetern Grundfläche, 18 Metern Wandhöhe, Andockstationen für Lastwagen auf beiden Längsseiten der Halle auf 32 Meter tiefen, befestigten Vorfeldern, eine betriebseigene Tankstelle, eine Waschhalle für Lastwagen, 300 Arbeitsplätze, ein Mitarbeiterparkplatz mit 150 Stellplätzen. Auch die im Bebauungsplan geforderte Dachbegrünung ist für Transgourmet aus "hygienischen Gründen" nicht möglich.

Ein Neubau dieser Größenordnung würde naturgemäß sowohl von der Autobahn als auch von Lerchenfeld her weithin sichtbar sein. Die gewünschte kleinteilige Begrünung des Gewerbegebietes wäre unmöglich.

Voruntersuchungen im Auftrag der Stadt haben außerdem ergeben, dass der Betrieb des Logistikzentrums zusätzlichen Schwerverkehr generiert, der zwar überwiegend außerhalb der Spitzenstunden stattfinden soll, trotzdem aber an bereits hoch belasteten Verkehrsknoten wie der Kreuzung FS44/45 zu Problemen führen dürfte. Eine Lösung wird man außerdem für den Lärmschutz finden müssen, wie in der Vorprüfung festgestellt wurde: "Wesentliche Problempunkte sind die Be- und Entladung von Lastwagen sowie außerhalb der Öffnungszeiten wartende Kühlfahrzeuge."

Hier sind nach Einschätzung der Gutachter Einschränkungen für die Betreiber des Logistikzentrums zu erwarten. Eine Lärmschutzwand mit acht oder neun Metern Höhe wäre nicht ausreichend, so die Experten.

Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher räumte ein, dass man hier "einen Zielkonflikt" habe: "Aber es ist eine Möglichkeit, das Gewerbegebiet zu füllen." Kritisch äußerte sich Ulrich Vogl (ÖDP). Hier sei die Rede von einem "Super-Logistiker", der von den Lärmemissionen her weit über das normale Maß hinaus gehe, so Vogl, der aus Angaben des Unternehmens 170 Lastwagenfahrten pro Tag errechnet hat.

Das sei zusätzlicher Lärm in einem Stadtteil, der vom Flughafen ohnehin stark belastet sei, warnte er: "Es gehört viel dazu, wenn wir das unseren Lerchenfelder Mitbürgern noch zumuten wollen. Ich vermute, die werden sich wehren."

CSU-Kollege Thomas Ottowa - selber in Lerchenfeld wohnhaft - hielt dem entgegen, dass es sich die Stadt nicht länger leisten könne, das Gewerbegebiet leer stehen zu lassen.

Grundsätzlich gegen den Richtungswechsel für das Gewerbegebiet sprach sich Charlotte Reitsam im Namen der Grünen aus. Sie stimmte wie auch Vogl und Katrin Stockheimer (FSM) gegen eine Änderung des Bebauungsplanes.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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