Nandlstadt:Die allerletzte Chance

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34-Jähriger erwirbt Marihuana und verkauft es gewinnbringend weiter, obwohl er unter offener Bewährung steht. Ins Gefängnis muss der Angeklagte vorerst nicht, da er in geordneten Verhältnissen lebt und einen festen Job hat

Von Alexander Kappen, Nandlstadt

Sachbeschädigung, Diebstahl, Drogenerwerb, Fahren ohne Führerschein. Dazu Urkundenfälschung, Computerbetrug, vorsätzliche Körperverletzung und Trunkenheit im Straßenverkehr. Mit dem Vorstrafenregister des Angeklagten könnte man ohne Probleme eine mehrteilige Vorabend-Krimiserie füllen. Da der 34-jährige Nandlstädter zudem unter offener Bewährung stand, als er zwischen Dezember 2014 und Juni 2015 insgesamt ein halbes Kilogramm Marihuana erwarb und mit Gewinn weiterverkaufte, sei es "ein Entgegenkommen, einem Bewährungsversager noch mal eine Bewährungsstrafe anzubieten, ich bin dazu nicht verpflichtet", betonte der Vorsitzende, Manfred Kastlmeier, in der Schöffensitzung des Freisinger Amtsgerichts.

Wegen der positiven Sozialprognose tat er es dennoch: "Wir setzen Hoffnung in Sie", sagte er eindringlich zum Angeklagten. Das Schöffengericht verurteilte den in vollem Umfang geständigen Nandlstädter auf Grundlage einer Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung schließlich zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Als Auflage muss der 34-Jährige 2000 Euro in 100-Euro-Raten an das Zentrum der Familie zahlen.

Der Angeklagte hatte bei einem Mann, gegen den ein gesondertes Verfahren läuft, zehnmal je 50 Gramm Marihuana zum Grammpreis von acht Euro erworben und dann für 15 Euro an ein paar wenige Bekannte und Verwandte weiterverkauft. Sein Lieferant war der Drogenfahndung bereits bekannt, die deshalb dessen Telefon abhörte. Dabei sei man auch auf den 34-jährigen Nandlstädter aufmerksam geworden, berichtete ein Beamter der Erdinger Kriminalpolizei als Zeuge.

Nach der Festnahme des Lieferanten habe dieser den Angeklagten "als einen seiner Hauptabnehmer bezeichnet", sagte der Polizist dem Gericht. Der Wirkstoffgehalt des Marihuanas, das der 34-Jährige eingekauft und anschließend gewinnbringend veräußert hat, sei eher mittelmäßig bis schlecht gewesen", berichtete der Beamte der Erdinger Kriminalpolizei weiter. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem glaubhaften Geständnis des Angeklagten. Zu dessen Gunsten wertete er außerdem die geringe Qualität der Drogen "und den kleinen Abnehmerkreis". Zudem handele es sich bei Marihuana "um eine eher weiche Droge". Gegen den 34-Jährigen sprächen jedoch seine vielen Vorstrafen und die Tatsache, dass er die Tat unter offener Bewährung beging. Der Staatsanwalt beantragte zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung.

Die Verteidigerin dagegen erachtete eineinhalb Jahre, ebenfalls auf Bewährung, als ausreichend. Sie führte zu Gunsten ihres Mandanten ins Feld, "dass der Tatzeitraum schon lange zurückliegt und seitdem nichts mehr vorgefallen ist". Unter den elf Vorstrafen befinde sich nur eine einschlägige aus der Jugendzeit des Angeklagten. Zudem habe er dem Gericht mit seinem Geständnis womöglich eine aufwendige Beweisaufnahme "mit einigen Anträgen erspart - vielleicht hätten wir auch einen zusätzlichen Verhandlungstag benötigt".

Dem Geständnis habe das Gericht "einen sehr hohen Stellenwert beigemessen, weil wir über die Abnehmer vorher nicht viel wussten", sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Dass der Angeklagte während einer offenen Bewährung erneut straffällig geworden ist, wiege wegen des Geständnisses nicht so schwer wie sonst oft in solchen Fällen. Zudem habe der Angeklagte sich freiwillig zu einer Speichelprobe bereit erklärt. Dazu kämen der begrenzte Abnehmerkreis und die positive Sozialprognose.

Der 34-Jährige lebt außerdem in geordneten Verhältnissen und hat auch eine Festanstellung. Die neuerliche Bewährungsstrafe sei alles in allem wohlbegründet "und keine Weichheit und Nachgiebigkeit gegenüber irgendwelchen Kriminellen", hieß es in der Urteilsbegründung.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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